Definition: Was ist Fachkräftemangel?
Fachkräftemangel bezeichnet die Situation am Arbeitsmarkt, wenn Unternehmen offene Stellen nicht mit passend qualifizierten Arbeitskräften besetzen können. Es entsteht ein Fachkräfteengpass: Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften übersteigt das Angebot an verfügbaren Fachkräften.
Besonders betroffen sind Berufe mit hohen Anforderungen an die Ausbildung oder Spezialisierung. Der Mangel zeigt sich in längeren Vakanzzeiten und unbesetzten Stellen trotz aktiver Suche.
Zahlen & Fakten zum Fachkräftemangel
Die Lage am deutschen Arbeitsmarkt bleibt angespannt. Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) aus dem Jahr 2024 zeigt: In Deutschland fehlen mehr als 530.000 qualifizierte Fachkräfte. Viele offene Stellen lassen sich rechnerisch nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzen.
Die ManpowerGroup kommt in ihrer Studie von 2025 zu einem ähnlich ernüchternden Ergebnis: 86 % der Unternehmen in Deutschland berichten von akuten Problemen bei der Stellenbesetzung. Zum Vergleich: 2014 meldeten nur 40 % der Firmen solche Schwierigkeiten – der Fachkräftemangel hat sich innerhalb von zehn Jahren also mehr als verdoppelt. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit an der Spitze und übertrifft den globalen Durchschnitt von 74 % deutlich.
Was sind die Hauptursachen für den Fachkräftemangel?
Der Fachkräftemangel hat mehrere strukturelle Ursachen:
- Demografischer Wandel: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen zunehmend in Rente, während weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten. Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt dadurch perspektivisch.
- Digitale Transformation: Viele Berufe erfordern heute spezialisierte Kompetenzen in IT, Datenverarbeitung oder neuen Technologien. Die Qualifikationsanforderungen steigen schneller, als das Bildungssystem nachziehen kann.
- Unattraktive Arbeitsbedingungen: In manchen Branchen schrecken niedrige Löhne, hohe Arbeitsbelastung oder ungünstige Arbeitszeiten potenzielle Fachkräfte ab.
- Fehlende Abstimmung: Das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt sind nicht optimal aufeinander abgestimmt. Viele Menschen entscheiden sich für Berufe, in denen bereits genügend Arbeitskräfte vorhanden sind, während Berufe mit Fachkräfteengpässen zu selten gewählt werden.
In welchen Branchen & Berufen ist der Fachkräftemangel besonders hoch?
Der Fachkräftemangel betrifft nahezu alle Wirtschaftsbereiche – vom Kleinstbetrieb bis zum Großkonzern. Besonders stark ausgeprägt ist der Mangel laut ManpowerGroup-Studie in folgenden Branchen:
Branche | Fachkräftemangel in % |
Energie & Versorgung | 92 |
Gesundheitswesen & Life Sciences | 89 |
Informationstechnologie | 89 |
Transport, Logistik & Automotive | 88 |
Finanzen & Immobilien | 86 |
Kommunikationsdienstleistungen | 86 |
Industrieprodukte & Werkstoffe | 85 |
Verbrauchsgüter & Dienstleistungen | 82 |
Bei den konkreten Berufen zeigt die IW-Studie: Die meisten Fachkräfte fehlen in der Kinderbetreuung und -erziehung (über 21.000 unbesetzte Stellen), gefolgt von Bauelektrik sowie Sozialarbeit und -pädagogik (jeweils mehr als 18.000 fehlende Fachkräfte) und Gesundheits- und Krankenpflege (Fachkräftebedarf über 16.500 Stellen).
Besonders gefragt sind laut ManpowerGroup Kompetenzen in IT & Datenverarbeitung (30 %), HR (24 %) sowie Front Office und Kundenservice (21 %). Auch Qualifikationen in Nachhaltigkeit und ESG (Environmental, Social, Governance) gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Welche Folgen hat der Fachkräftemangel?
Der Fachkräftemangel bremst Unternehmen und Wirtschaft gleichermaßen aus. Firmen können ihr Wachstumspotenzial nicht ausschöpfen, Aufträge verzögern sich und Innovationen bleiben liegen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erwartet in seiner Mittelfristprognose bis zum Jahr 2028 anhaltende Fachkräfteengpässe in folgenden Bereichen:
- IT-Berufe
- Gesundheits- und Pflegeberufe
- einige technische Berufe
- Lehrberufe
Für die Gesellschaft bedeutet der Mangel: längere Wartezeiten in Kitas, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen, verzögerte Bauprojekte und eingeschränkte Dienstleistungen. Die hohe Arbeitsbelastung für vorhandene Mitarbeitende führt zu Überlastung und sinkender Arbeitszufriedenheit.
Deutschland läuft Gefahr, als Wirtschaftsstandort an Attraktivität zu verlieren. Die qualifizierte Zuwanderung kann den demografischen Wandel zwar abfedern, aber nicht vollständig ausgleichen.
Welche Maßnahmen ergreifen Unternehmen gegen den Fachkräfteengpass?
Deutsche Arbeitgebende reagieren auf den Fachkräftemangel mit verschiedenen Strategien. Die ManpowerGroup-Studie zeigt: Unternehmen setzen verstärkt auf Corporate Benefits und nicht-monetäre Anreize, um sich im Wettbewerb um Fachkräfte zu positionieren. Sie passen ihr Leistungsangebot an die Bedürfnisse der Arbeitskräfte an.
Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick:
- Flexible Arbeitsmodelle: 27 % der Unternehmen bieten flexible Arbeitszeiten und hybride Arbeitsmodelle an, um im Wettbewerb um Talente zu punkten.
- Weiterbildung und Umschulung: 23 % investieren gezielt in die Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden, um interne Kompetenzen aufzubauen.
- Gehaltserhöhungen: 21 % setzen auf eine attraktivere Vergütung – interessanterweise spielt das Gehalt eine geringere Rolle als erwartet und belegt in der ManpowerGroup-Studie Platz drei.
- Weitere attraktive Zusatzleistungen: Gesundheitsangebote, Mobilitätszuschüsse, Kinderbetreuung oder individuelle Weiterbildungsbudgets stärken die Arbeitgeberattraktivität.
- Zuwanderung: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert die Integration ausländischer Fachkräfte. Unternehmen können durch Anerkennungspartnerschaften Fachkräfte schneller nach Deutschland holen.
Längere Erwerbstätigkeit: Ältere Arbeitnehmende werden mit attraktiven Angeboten ermutigt, freiwillig länger zu arbeiten – auch in Teilzeit.
Für eine nachhaltige Fachkräftesicherung sollten Unternehmen mehrere dieser Ansätze kombinieren, um neue Talente zu gewinnen und vorhandene Mitarbeitende zu halten.
FAQ
Haben wir wirklich einen Fachkräftemangel?
Ja, der Fachkräftemangel in Deutschland ist real und durch Statistiken belegt. Das IW Köln ermittelte für 2024 über 530.000 unbesetzte Stellen, die nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden können. 86 % der Unternehmen melden laut ManpowerGroup akute Probleme bei der Stellenbesetzung – der höchste Wert weltweit. Auch wenn die Zahl offener Stellen konjunkturbedingt schwankt, bleibt die strukturelle Lücke bestehen: Mehr Menschen gehen in Rente, als nachrücken.
Wo ist der Fachkräftemangel am schlimmsten?
Der Fachkräftemangel betrifft ganz Deutschland, zeigt sich aber regional unterschiedlich. Besonders ausgeprägt ist er in Ostdeutschland, wo die Abwanderung junger Menschen die demografische Entwicklung verschärft. Auf Branchenebene sind die Energiebranche, das Gesundheitswesen und die IT am stärksten betroffen. Bei konkreten Berufen führt die Kinderbetreuung die Liste an, gefolgt von der Sozialarbeit und Bauelektrik.
Was für Fachkräfte fehlen in Deutschland?
Deutschland fehlen vor allem Fachkräfte in sozialen, technischen und IT-Berufen. Konkret sind das: Erzieher:innen, Pflegekräfte, Elektriker:innen, Maschinenbautechniker:innen, Softwareentwickler:innen und IT-Sicherheitsexperten und -expert:innen. Auch Lehrkräfte werden händeringend gesucht. Gefragt sind insbesondere Kompetenzen in IT & Datenverarbeitung, HR sowie Kundenservice. Viele Berufe erfordern heute spezialisiertes Fachwissen – eine Herausforderung für Ausbildung und Weiterbildung.
Warum gibt es plötzlich überall Personalmangel?
Der Personalmangel kommt nicht plötzlich, sondern ist das Ergebnis langfristiger Entwicklungen. Die Babyboomer-Generation geht seit einigen Jahren verstärkt in Rente. Gleichzeitig rücken geburtenschwache Jahrgänge nach. Die Digitalisierung erhöht die Anforderungen, und in manchen Branchen verschärfen unattraktive Arbeitsbedingungen das Problem. Der Mangel wird sichtbarer, weil er mittlerweile nahezu alle Bereiche betrifft.