Globaler Handel ermöglicht die Vielfalt in unseren Geschäften: Kleidung, die in Bangladesch genäht wird, besteht aus ägyptischer Baumwolle. Internationale Märkte verflechten sich zunehmend – das führt zu komplexen und intransparenten Lieferketten. Genau hier entstehen Risiken für Menschenrechtsverletzungen: Kinderarbeit, unzureichende Löhne, Zwölf- Stunden-Schichten oder Zwangsarbeit. Nationale und EU-weite Richtlinien verpflichten Unternehmen dazu, ihre Geschäfts-, Produktions- sowie Einkaufspraktiken an menschenrechtlichen Standards auszurichten.
Definition Menschenrechte im wirtschaftlichen Kontext
Menschenrechte stehen jedem Menschen zu – unabhängig von Nationalität, Herkunft, Vermögen, Geschlecht, Religion oder Hautfarbe. Sinngemäß steht es so in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der Vereinten Nationen von 1948 geschrieben.
Auch Unternehmen kommen regelmäßig mit (der Wahrung von) Menschenrechten in Berührung: Von Zwangsarbeit bis hin zu lebensbedrohlichen Arbeitsbedingungen. Ein aktueller Bericht der ILO und UNICEFF schätzt, dass weltweit rund 138 Million Jungen und Mädchen von Kinderarbeit betroffen sind.¹ Lange und komplexe Lieferketten machen es zunehmend schwierig, solche Menschenrechtsverletzungen aufzudecken und die Verantwortlichen zu identifizieren.
Menschenrechte: Eine Aufgabe von Staaten oder Unternehmen?
Grundsätzlich ist die Sicherstellung der Menschenrechte eine staatliche Aufgabe. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet der Staat Unternehmen allerdings dazu, Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Dadurch sind menschenrechtskonforme Arbeitsbedingungen nicht mehr nur für einen „guten Ruf“ wichtig, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben.
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Menschenrechte zu schützen und durchzusetzen ist eine globale Aufgabe: Die Vereinten Nationen haben im Jahr 2011 die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Die Prinzipien basieren auf den folgenden drei Säulen:
- Die Pflicht des Staates zum Schutz der Menschenrechte,
- die Verantwortung des Unternehmens zur Achtung der Menschenrechte und
- dem Zugang zu Abhilfe.
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Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte
Leitprinzipien sind das eine, doch die Umsetzung das andere: Deshalb hat die Bundesregierung 2016 den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) ins Leben gerufen:
Eine Maßnahme, die Unternehmen auf ihre Verantwortung zur Wahrung der Menschenrechte aufmerksam macht. Das Ziel des NAPs bestand darin, deutsche Unternehmen dazu zu bewegen, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihre Geschäftspraktiken und Lieferketten zu integrieren. Da der Aktionsplan auf Freiwilligkeit basierte und es demensprechend keine Sanktionen bei Nichterfüllung gab, zeigten sich schnell die Grenzen des NAPs.
Menschenrechte als Teil der Compliance
Compliance-Vorschriften sind ein wichtiger Bestandteil der Unternehmensführung und stellen sicher, dass ein Unternehmen Gesetze, Richtlinien und Standards einhält. Bei Verstößen drohen nicht nur rechtliche Konsequenzen wie Bußgelder, sondern auch Imageschäden.
Menschenrechte sind als ein zentraler Aspekt in Compliance-Vorschriften verankert. Sie reichen von der Festlegung konkreter Menschenrechtsziele über die Identifikation potenzieller Risiken bis hin zur Entwicklung langfristiger Strategien zur Verbesserung bestehender Systeme. Mit menschenrechtlichen Compliance-Vorschriften stellen Unternehmen sicher, dass die Rechte der Menschen, die entlang der Lieferkette am Unternehmen beteiligt sind, gewahrt werden.
Compliance-Pflichten in Bezug auf Menschenrechte
Damit die Umsetzung gelingt und Unternehmen ihren Pflichten nachkommen, hat jedes Unternehmen in Deutschland relevante Compliance-Regelungen zu erfüllen, die dem Schutz der Menschenrechte dienen. Direkten Bezug haben daher der Code of Conduct und das LkSG. Datenschutz (DSGVO), Arbeits- und Gesundheitsschutz oder Finanz- und Steuer-Compliance.
Code of Conduct
Der Code of Conduct dient als verbindliche interne Verhaltensrichtlinie für Mitarbeiter:innen, Management und ggf. Geschäftspartner. Er regelt zentrale Themen wie Integrität, Anti-Korruption, Interessenkonflikte, Datenschutz, Gleichbehandlung und Diversity.
Auch Lieferkettensorgfaltspflichten und deren Umsetzungsstrategien sollten im Code of Conduct festgehalten werden. Dazu gehören beispielsweise konkrete Kommunikationskanäle, die im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, ein einheitliches, ethisches Handeln im Unternehmen sicherzustellen und den Schutz von Menschenrechten und fairen Arbeitsbedingungen zu fördern.
Verstöße gegen den Code of Conduct führen primär zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen, ggf. zu Reputations- oder zivilrechtlichen Folgen, aber nicht zu staatlichen Sanktionen.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Kaum ein Unternehmen kommt ohne sie aus: Lieferketten. Entlang der Lieferketten arbeiten Menschen z. B. als Produzenten oder Zulieferer im In- und Ausland. Doch um die Würde des Menschen und dessen Rechte ist es nicht überall gleich bestellt. So ist im Januar 2023 das LkSG in Kraft getreten:
Die Bundesregierung verpflichtet damit Unternehmen, Menschrechtsverletzungen zu erkennen und zu verhindern. Seit 2024 gilt das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und definiert klare Vorgaben für die Umsetzung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten.
- Sorgfaltspflichten: Die Sorgfaltspflichten umfassen die gesamte Lieferkette – vom Rohstoffabbau bis zum Verkauf. Ziel ist, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vorzubeugen oder zu minimieren.
- Grundsatzerklärung: Unternehmen müssen eine Menschenrechtsstrategie formulieren, die erklärt, wie sie den Sorgfaltspflichten nachkommen, welche Risiken sie erkennen und welche Erwartungen an Lieferanten und Mitarbeitende bestehen.
- Risikomanagement: Zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten muss jedes Unternehmen über ein wirksames Risikomanagement verfügen. Dafür müssen muss ein Menschenrechtsbeauftragter benannt werden, der das Risikomanagement überwacht und Ansprechpartner ist.
- Risikoanalyse: Im Rahmen des Risikomanagements müssen regelmäßige Risikoanalysen durchführt werden, um menschrechtliche und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei Zulieferern zu ermitteln.
- Präventionsmaßnahmen: Wird ein Risiko festgestellt, muss umgehend gehandelt und Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Z. B. können Schulungen und Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden.
- Abhilfemaßnahmen: Werden menschenrechtsbezogene Pflichten verletzt, müssen angemessene Abhilfemaßnahmen ergriffen werden, um das Ausmaß der Verletzung zu minimieren.
- Beschwerdeverfahren: Ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren ist Pflicht, damit Betroffene auf Risiken und Menschenrechtsverletzungen hinweisen können.
- Mittelbare Zulieferer: Auch bei mittelbaren Zulieferern müssen mögliche Menschenrechtsverletzungen analysiert und behoben werden.
- Dokumentations- und Berichtspflicht: Unternehmen müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einen jährlichen Bericht vorlegen, der zeigt, wie sie den Sorgfaltspflichten nachkommen.
Das BAFA prüft, ob Unternehmen ihren Pflichten nachkommen, und kann bei Verstößen Bußgelder verhängen: Werden die Sorgfaltspflichten z. B. nicht umgesetzt, gilt das als Ordnungswidrigkeit. Fehlende oder erst verspätet umgesetzte Abhilfe- oder Präventionsmaßnahmen können mit Geldbußen von bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden. Die prozentuale Berechnung des Bußgelds greift bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro.
LkSG-Sorgfaltspflichtenbericht – aktuelle Entwicklungen
Der aktuelle Regierungsentwurf sieht vor, dass die Verpflichtung zur Erstellung eines Sorgfaltspflichtenberichts rückwirkend ab dem 1. Januar 2023 vollständig entfällt. Unternehmen müssen weder der Öffentlichkeit noch dem BAFA einen solchen Bericht vorlegen. Stattdessen könnten künftig Nachhaltigkeitsberichte gemäß den Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) den bisherigen Bericht ersetzen – vorausgesetzt, sie erfüllen alle formalen Anforderungen und werden geprüft sowie veröffentlicht.
Trotz dieser Erleichterungen bleiben die im LkSG geregelten Sorgfaltspflichten bestehen: Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie ein Beschwerdeverfahren sind weiterhin umzusetzen. Die interne Dokumentation bleibt verpflichtend und muss mindestens sieben Jahre lang aufbewahrt werden, um bei Bedarf gegenüber Behörden oder in Streitfällen Nachweise erbringen zu können. Auch behält das BAFA seine Kontrollbefugnisse bei, wenngleich diese ohne Berichte deutlich eingeschränkt sein dürften.
Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren und muss noch vom Bundestag beraten werden.
EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Während das LkSG für Unternehmen in Deutschland gilt, vereinheitlicht das CSDDD die Sorgfaltspflichten auf EU-Ebene. Beide Regelungen zielen auf menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten von Unternehmen ab, unterscheiden sich jedoch in Reichweite, Anforderungen und Rechtsrahmen.
Alle EU-Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie bis zum 26. Juli 2027 in nationales Recht überführen. Damit werden nicht nur die Menschenrechte gestärkt, sondern auch faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in der EU geschaffen.
Die Richtlinie gilt für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Nettojahresumsatz von 450 Millionen Euro. Auch Unternehmen aus Drittstaaten sind betroffen, wenn sie mehr als 450 Millionen Euro Jahresumsatz in der EU erzielen. Kleine und mittlere Unternehmen sind nicht von der Richtlinie betroffen.
Herausforderungen und Kritikpunkte
Für Unternehmen kann es eine erhebliche Herausforderung sein, den Überblick über global verzweigte Lieferketten zu behalten:
- Fehlende Transparenz: Viele Unternehmen haben nur begrenzte Einblicke in ihre Lieferketten, wodurch Risiken schwer zu identifizieren sind.
- Ressourcen: Gerade mittelständische Firmen verfügen oft nicht über die finanziellen und personellen Kapazitäten, um z. B. Risikoanalysen durchzuführen.
- Rechtsvielfalt: Unterschiedliche gesetzliche Anforderungen in verschiedenen Ländern erschweren die Umsetzung einheitlicher Standards.
- Reputationsrisiko: Bei Verstößen riskieren Unternehmen Imageschäden.
- Regulatorische Anforderungen: Der bürokratische Aufwand nimmt zu.
Menschrechte – kein nice-to-have
Menschenrechte sind kein nice-to-have – sie sind in unserem Grundgesetz verankert. Das LkSG und das CSDDD schaffen einen verbindlichen Rahmen, damit Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten in ihre Geschäftsprozesse integrieren und so die Rechte von Menschen weltweit schützen. Unternehmen, Compliance- und Menschenrechtsbeauftragte sind jetzt gefragt: Sie müssen Verantwortung übernehmen und die erforderlichen Strukturen aufbauen – nicht nur aus ethischer Überzeugung, sondern weil es gesetzlich gefordert wird.
¹ ILO und UNICEFF, Kinderarbeit: Globale Schätzung 2024, S. 3, Kinderarbeit Bericht Kurzfassung.