Das Lieferkettengesetz: Was Unternehmen 2024 wissen müssen

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Im Februar 2021 verkündete die Bundesregierung einen neuen Gesetzesentwurf zur Überwachung sozialer Standards von Unternehmen und deren Zulieferern in Deutschland. Während Industrieverbände vor zu hohen Restriktionen warnten, ging das geplante Lieferkettengesetz für NGOs und Umweltschützer nicht weit genug. Am 1. Januar 2024 ist das neue Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Das sollten Sie als Unternehmer:in beachten.

Das Lieferkettengesetz im Überblick

Das Lieferkettengesetz – oder „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“, wie es ausführlich heißt oder auch „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ – ist eine für viele Menschen langersehnte Einigung der deutschen Regierung, um Unternehmen und deren Lieferanten an soziale Mindeststandards rechtlich zu binden. Der Referentenentwurf wurde am 28. Februar 2021 veröffentlicht und der Regierungsentwurf wurde nur fünf Tage später verabschiedet. Das Lieferkettengesetz selbst wurde am 22. Juli 2021 verkündet.

Das Lieferkettengesetz gilt nun seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen. Fast 3.000 Unternehmen in Deutschland sind davon betroffen. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, die Arbeitsbedingungen ihrer direkten Zulieferer sorgfältig zu prüfen, um Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen, transparent zu melden und Abhilfe zu leisten. Darüber hinaus berücksichtigt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch Umweltschutzverstöße, sofern sie zu Menschenrechtsverstößen führen können. Dazu gehört die Zerstörung von Lebensraum durch die Industrie, die Vergiftung von Wasser durch Pestizide oder auch die Umweltverschmutzung durch zu hohe Emissionen.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist die zentrale Anlaufstelle und entscheidet bei Verstößen über die Höhe der Strafe. Unternehmen drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes sowie ein dreijähriger Ausschluss von öffentlichen Aufträgen – nicht aber eine zivilrechtliche Haftung.

Übersicht über das Lieferkettengesetz 2024 – Key Facts

  • gilt für Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden
  • betrifft auch Niederlassungen ausländischer Firmen mit >1.000 Beschäftigten
  • Sorgfaltspflicht betrifft die gesamte Lieferkette vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt
  • BAFA sorgt für die Durchsetzung des Gesetzes
  • bei Verstößen sind hohe Bußgelder und Ausschlüsse von öffentlicher Beschaffung möglich

Menschen und Umwelt schützen: Wie es zum deutschen Lieferkettengesetz kam

In einer globalisierten Wirtschaft verstoßen einzelne Unternehmen als Teil einer langen Lieferkette immer wieder gegen Menschenrechte und Umweltstandards. Das wird seit einigen Jahren in der internationalen Politik thematisiert. Schon im Jahr 2011 veröffentlichten die Vereinten Nationen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschrechte, die eine globale unternehmerische Verantwortung definieren. Darauf basierend traf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016 selbst konkrete Vorschläge in dem nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Dieser sah vor, dass bis 2020 mindestens 50 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen die dort definierte menschenrechtliche Sorgfaltspflicht einhalten – allerdings nur mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung.
Deutlich strenger regelt Frankreich die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette bereits seit 2017. Das dortige Recht orientiert sich an ähnlichen Prinzipien wie das deutsche Lieferkettengesetz, gilt aber nur für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten in Frankreich (bzw. 10.000 Beschäftigte weltweit).

So sollten betroffene Unternehmen auf das Lieferkettengesetz reagieren

Im Vergleich zum französischen Lieferkettengesetz erlaubt die deutsche Version ein starkes Durchgreifen der Behörden. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle muss nicht auf eine nachweisbare Menschenrechtsverletzung oder eine zivilrechtliche Klage einer NGO warten, um aktiv zu werden. Bereits der Nachweis einer Verletzung der Sorgfaltspflicht zwischen Auftraggeber und unmittelbarer Lieferant genügt, um Unternehmen zu bestrafen. Verantwortliche sind deshalb gut beraten, selbst proaktiv tätig zu werden.

Welche Maßnahmen müssen Unternehmen zusammen mit ihren direkten Zulieferern umsetzen, um nicht gegen das Lieferkettengesetz zu verstoßen?

  • Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte unterzeichnen
  • Potenzielle Menschenrechtsverstöße identifizieren und Abhilfe sowie Präventionsmaßnahmen leisten
  • Dokumentations- und Berichtspflichten über die Arbeitsbedingungen erfüllen
  • Beschwerdemechanismus für Arbeitnehmer:innen einrichten
  • Transparent öffentlich Bericht erstatten

Die Grundlage für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht ist eine Risikoanalyse, die sich nur auf direkte Zulieferer beschränkt. Besonders gefährliche Wertschöpfungsstufen, die etwa in der Rohstoffverarbeitung zumeist am Anfang einer Lieferkette stehen, sind vom Gesetz ausgeklammert.

Profiteur und gleichzeitig Betroffener der Sorgfaltspflicht ist der Einkauf, der künftig stärker als Bindeglied zu den Lieferanten auftreten und eine wichtigere Rolle im Unternehmen einnehmen wird. Nur mit der Hilfe des Einkaufs erhöhen Betriebe die eigene Lieferkettentransparenz, bekommen wichtige Einblicke für ihr Risikomanagement und positionieren Compliance und soziale Nachhaltigkeit bei den Zulieferern. Einkaufsabteilungen und Supply-Chain-Manager sollten sich mit den Auswirkungen Lieferkettengesetzes auf ihren Geschäftsbereich beschäftigen.

Sorgfaltspflicht beim Lieferkettengesetz missachtet: Diese Strafen und Bußgelder drohen

Bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz kann Unternehmen ein Bußgeld von bis zu zwei Prozent des weltweiten jährlichen Unternehmensumsatzes drohen. Liegt der Jahresumsatz bei 100 Millionen Euro, wären somit in diesem Fall Strafen von bis zu zwei Millionen Euro möglich. Zusätzlich können Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, wenn sie gegen das Lieferkettengesetz verstoßen haben.

Kritik am deutschen Lieferkettengesetz

Das aktuelle Lieferkettengesetzes verpflichtet Unternehmen vor allem zur Kontrolle der unmittelbaren Zulieferer. Bei sogenannten „mittelbaren“ Zulieferern sieht das Gesetzt „nur“ anlassbezogene Sorgfaltspflichten vor. Das betrifft vor allem zu Beginn der Wertschöpfungskette die Zulieferer, die Rohstoffe produzieren oder verarbeiten. Hier sind Unternehmen also laut deutsches Lieferkettengesetz nur dann zur Risikoanalyse verpflichtet, wenn es einen konkreten Anlass dafür gibt.

Auch wenn die Sorgfaltspflicht nicht für mittelbare Zulieferer gilt, sollten Compliance-Verantwortliche sich dennoch über die dort vorherrschenden Arbeitsbedingungen informieren. Beschweren sich betroffene Mitarbeiter:innen anonym oder mithilfe einer NGO beim Auftraggeber und melden sogar Menschrechtsverstöße, können Unternehmen dank präventiver Maßnahmen schneller reagieren und weitere Schäden vermeiden.

Darüber hinaus fokussiert sich das Lieferkettengesetz bisher nicht explizit auf den Schutz der Umwelt. Umweltbeeinträchtigungen werden für die Sorgfaltspflicht nur relevant, wenn sie zugleich individuelle Menschenrechte beeinträchtigen, etwa beim Ausstoß giftiger Flüssigkeiten. Verantwortungsbewusste Unternehmen können auch hier einen Schritt weitergehen und sich in ihrer Risikoanalyse proaktiv mit dem Naturschutz entlang ihrer Lieferkette auseinandersetzen – nicht nur um sich umweltbewusster aufzustellen, sondern auch um auf zukünftige Gesetze besser vorbereitet zu sein.

Das EU-Lieferkettengesetz als Ergänzung zum deutschen Lieferkettengesetz

Am 15.3.2024 hat der europäische Rat trotz Widerstands der deutschen Bundesregierung für das EU-Lieferkettengesetz gestimmt. Es muss nun noch im EU-Parlament verabschiedet werden.

Die neue EU-Regelung sieht vor, dass Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und mit mehr als 450 Millionen Euro Jahresumsatz bei sich und bei ihren Lieferanten sicherstellen, dass Menschenrechts- und Umweltstandards eingehalten werden. Hierfür ist eine europaweite Dokumentation erforderlich. Aus dieser muss z.B. hervorgehen, dass die hergestellten Produkte frei von Kinderarbeit sind und keine Umweltschäden erzeugt haben.

Fazit: Betroffene Unternehmen benötigen Expertise

Nachdem das neue Lieferkettengesetz in Deutschland mehrere Jahre debattiert wurde, ist es seit dem 1.1. 2024 nun gültig. Für betroffene Unternehmen kann das zu neuen Herausforderungen führen. Die Haufe Akademie unterstützt Sie und Ihre Beschäftigten dabei, alle Regelungen zu Ihren Lieferketten gesetzeskonform zu berücksichtigen.

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Über den:die Autor:in

Benedikt Söder

ist Produktmanager für Qualifizierungsangebote, Seminare & Trainings für die Themen Immobilienwirtschaft und -management sowie Einkauf, Logistik, Supply Chain und Außenhandel bei der Haufe Akademie.

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