Die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ihre Gefühle und Perspektiven zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren, ist ein Grundpfeiler zwischenmenschlicher Beziehungen. Empathie überwindet Grenzen, baut Brücken zwischen Menschen und fördert ein tieferes Verständnis füreinander. Deshalb ist sie auch im beruflichen Miteinander unverzichtbar.
Was Empathie wirklich bedeutet, ob und wie man sie erlernen kann und welche Rolle sie im Business spielt – das erfährst du in diesem Beitrag.
Was ist Empathie?
In der Psychologie bezeichnet Empathie die Fähigkeit, Emotionen anderer Menschen zu verstehen und nachzuempfinden zu können. Sie besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem affektiven Nachempfinden und dem kognitiven Verstehen.
- Emotionale oder affektive Empathie: Die Fähigkeit, sich in die Gefühle anderer Menschen hineinzuversetzen und mit ihnen zu fühlen. Bei diesem tiefen, emotionalen Mitschwingen nehmen wir die Emotionen anderer wahr und erleben sie ein Stück weit selbst. Dieses Empfinden geht über die reine Gefühlsansteckung hinaus, denn wir kennen die Quelle unserer Emotionen.
- Kognitive Empathie: Die Fähigkeit, die Gedanken, Gefühle und Perspektiven anderer Menschen rational zu verstehen. Es ist eine Art Perspektivwechsel, der uns hilft, die Welt aus den Augen unserer Mitmenschen zu sehen.
In der Regel richtet sich die Empathie auf einen Menschen. Sie kann sich aber auch auf ganze Gruppen beziehen, beispielsweise auf Menschen aus fremden Kulturen. Dies bezeichnet man als soziale Empathie.
Wie unterscheiden sich Mitgefühl, Sympathie und Empathie?
Um den Begriff Empathie ranken sich im allgemeinen Sprachgebrauch viele Begriffe, die synonym oder im direkten Zusammenhang verwendet werden, z. B. Mitgefühl. Doch die Begriffe unterscheiden sich:
- Mitgefühl ist ein fürsorgliches Gefühl gegenüber einer anderen Person. Es ist aber nicht identisch mit den Gefühlen der anderen Person. Formen des Mitgefühls kennen die allermeisten als Mitfreude und Mitleid.
- Empathie bezeichnet dagegen das Nachvollziehen und -Empfinden der Gefühle und Gedanken anderer.
Empathie taucht auch im Dreiklang mit Sympathie und Antipathie auf: Dabei schwingt die Empathie im Alltag wie ein Pendel zwischen Sympathie und Antipathie.
- Sympathie ist eine Zuneigung oder positive Einstellung gegenüber einer Person. Oft teilt man ähnliche Gedanken oder Gefühle – eine Art emotionale Verschmelzung.
- Antipathie bezeichnet die emotionale Ablehnung einer Person aufgrund von Abneigungsgefühlen.
- Empathie bezieht sich hier mehr darauf, eine Person wahrzunehmen und sich für sie zu öffnen, als sie zu bewerten. Man bleibt dabei bei sich, wahrt aber Abstand zu den eigenen Emotionen.
Empathie schützt vor emotionaler Verausgabung: Je reflektierter eine Person ist, desto ruhiger schwingt das Pendel zwischen den beiden Extremen.
Empathie in der Neurowissenschaft
Für unsere Empathiefähigkeit spielen wahrscheinlich bestimmte Nervenzellen im Gehirn eine zentrale Rolle: Die Spiegelneuronen. Sie werden sowohl bei der Ausführung als auch bei der Beobachtung einer bestimmten Handlung aktiv. Beispielsweise wenn uns jemand winkt, aber auch wenn wir selbst winken. Ähnlich kann sich auch unsere Mimik unserem Gegenüber angleichen – wenn wir beispielsweise jemanden lächeln sehen, bewegen sich unsere eigenen Mundwinkel ebenfalls nach oben. Dieses Verhalten wird auch als Mimikry oder motorische Empathie bezeichnet und schafft die Grundlage, um mit anderen mitfühlen zu können.
Bedeutung: Warum ist Empathie unverzichtbar?
Wenn wir nur Sympathie und Antipathie kennen würden, wäre die Welt wahrscheinlich in viele Lager gespalten, zwischen denen kein konstruktiver Dialog, kein gegenseitiges Verständnis und kein Entgegenkommen möglich ist. Und das nicht nur auf der Weltbühne, sondern auch in den kleinsten zwischenmenschlichen Situationen.
Deshalb brauchen wir Empathie – tagtäglich:
- Empathie hilft Menschen, angemessen auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu reagieren.
- Sie macht uns hilfsbereit und trägt zum gegenseitigen Verständnis bei.
- Empathie unterstützt die Entwicklung gesunder und stabiler Beziehungen.
- Sie hilft, soziale Normen zu verstehen und einzuhalten.
Sie spielt außerdem eine zentrale Rolle in gelungener Kommunikation, denn sie unterstützt dabei, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen und dessen Standpunkt zu verstehen. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und Konflikte respektvoll und konstruktiv lösen.
Wie verhält sich ein empathischer Mensch?
Sicher kennst du eine Person, die du als besonders empathisch empfindest. Überlege einmal, was das Verhalten dieser Person ausmacht.
Empathische Personen können meist sehr gut zuhören und nehmen ihr Gegenüber ernst. Ihr Interesse ist echt, sie schenken ihrer:ihrem Gegenüber ungeteilte Aufmerksamkeit und sie stellen Fragen. Oft sind sie besonders feinfühlig und halten sich mit Urteilen zurück. Sie vertrauen, sind offen. Meist sind sie auch kooperativ und hilfsbereit.
Anzeichen geringer Empathie
Menschen mit schwach ausgeprägter Empathiefähigkeit verhalten sich anders als empathische Personen – beinahe gegensätzlich. Die Gefühle anderer Menschen sind ihnen eher gleichgültig, sie schenken ihnen wenig Aufmerksamkeit und lenken Gespräche gerne auf sich selbst zurück. Ihr eigenes Wohl steht oft im Mittelpunkt. Stabile und emotional tiefgründige Beziehungen aufzubauen, kann für sie daher eine Herausforderung sein. Eine schwach ausgeprägte Empathiefähigkeit kann sich sogar in antisozialem Verhalten wie Gesetzesverstößen, Gewalt, Mobbing, Vorurteilen und Rassismus äußern.
Mangelnde Empathie im Job
Von zwischenmenschlichen Konflikten über sinkende Produktivität bis hin zu rechtlichen und ethischen Problemen für das Unternehmen: Auch im Arbeitsumfeld kann mangelnde Empathie zu Schwierigkeiten führen. Beispielsweise in den folgenden Fällen:
- Unempathische Führungskräfte übersehen womöglich persönliche Probleme oder Überlastung der Teammitglieder und erzeugen eine negative Arbeitsatmosphäre.
- Konflikte und Missverständnisse sorgen intern und extern für Probleme. So kann unempathisches Verhalten beispielsweise im Kundenservice dazu führen, dass Kundinnen und Kunden sich nicht ernst genommen fühlen und Konflikte eskalieren.
- Auch die Teamdynamik kann leiden. Wenn ein Teammitglied etwa immer wieder Meetings an sich reißt und nicht auf die Ideen anderer eingeht, kann dies die Teilnehmenden frustrieren und kreative Lösungen verhindern.
- Mangelnde Empathie kann auch der Wegbereiter für Mobbing am Arbeitsplatz sein. Dies kann sogar zu rechtlichen Problemen für das Unternehmen führen. Wenn der Arbeitgeber z. B. konkrete Hinweise darüber erhält, dass ein:e Mitarbeiter:in aufgrund seiner:ihrer Herkunft diskriminiert wird, aber nichts dagegen unternimmt.
Emotionale Blindheit: Alexithymie
In einigen Extremfällen sind Menschen gar nicht in der Lage, die eigenen Emotionen zu identifizieren und zu beschreiben. Umgangssprachlich spricht man von „emotionaler Blindheit“ – im Fachjargon von Alexithymie. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern a- (ohne), lexis (lesen) und thymos (Emotion) zusammen. Für Menschen mit Alexithymie zeigen sich ihre Emotionen als rein körperliche Vorgänge. Beispielsweise erleben sie emotionale Anspannung als Unwohlsein oder Schmerz. Wer aber die eigenen Emotionen nicht identifizieren kann und somit nicht versteht, kann sie auch schlecht regulieren.
Empathie lernen: Kann man das überhaupt?
Es lohnt sich also, der eigenen Empathie etwas auf die Sprünge zu helfen. Doch funktioniert das überhaupt? Gute Nachrichten: Empathie kann man erlernen. Es gibt verschiedene wirksame Methoden und Programme, um Empathie gezielt zu verbessern.
- Bestimmte Formen der Achtsamkeitsmeditation trainieren, die eigenen Empfindungen, Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen und ihren Ursprung zu erforschen. Ergänzend wird dabei ein Perspektivwechsel geübt.
- Die Loving–Kindness-Meditation stärkt das Gefühl der Selbstliebe und trainiert, dieses Gefühl auf andere zu übertragen.
- In Rollenspielen können z. B. Beschäftigte üben, sich in andere hineinzuversetzen.
Empathie kannst du aber auch im (Berufs-)Alltag trainieren:
- Richte deine Aufmerksamkeit im ersten Schritt auf deine eigenen Körpersignale und Emotionen.
- Konzentriere dich dann im Gespräch auf dein Gegenüber, achte auf Gestik und Mimik und stelle Fragen.
- Nimm eine unvoreingenommene Perspektive ein.
- Übe dich darin, die Perspektive zu wechseln. Diskutiere über Themen und versuche, deinen Horizont zu erweitern.
Oft neigen Menschen dazu, Ratschläge anzubieten, zu trösten, das Leid anderer mit dem eigenen zu vergleichen oder wertende Gedanken einzubringen, z. B. „Du lässt dich einfach ausnutzen!“. Diese Handlungen stehen echter Empathie im Weg. Schenke deinem Gegenüber stattdessen deine wertfreie Aufmerksamkeit und dein Ohr. Beziehe deine Fragen auf die aktuelle Gefühlslage deines Gegenübers – auf das Hier und Jetzt.
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Empathie im Job: Eine Schlüsselfähigkeit für gute Zusammenarbeit
Im Arbeitsalltag treffen viele verschiedene Menschen aufeinander – mit eigenen Sichtweisen, Bedürfnissen und Emotionen. Genau hier kommt Empathie ins Spiel: die Fähigkeit, wirklich hinzuhören, sich in andere hineinzuversetzen und zu verstehen, was gerade los ist – auch zwischen den Zeilen. Das macht vieles leichter. Man erkennt früh, wenn jemand überlastet ist. Man merkt, wenn ein Konflikt in der Luft liegt. Und man findet eher gemeinsame Wege – statt aneinander vorbeizureden.
Auch im Kontakt mit Kundinnen und Kunden ist das spürbar. Wer mit Empathie reagiert (besonders in heiklen Situationen wie Beschwerden) zeigt: Ich sehe dich. Ich nehme dich ernst. Das schafft Vertrauen und oft auch bessere Lösungen. Empathie sorgt also nicht nur für ein angenehmeres Miteinander, sondern auch für reibungslosere Abläufe, bessere Entscheidungen – und letztlich für mehr Zufriedenheit auf allen Seiten.

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Grenzen der Empathie – wann wird sie toxisch?
Nach den vielen Vorteilen von Empathie klingt es zunächst seltsam, aber: Empathie kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
- Empathie empfinden wir insbesondere für unsere eigene Gruppe – wir fühlen uns eng mit unseren Gruppenmitgliedern verbunden. In Unternehmen kann dies z. B. zu einer unbeabsichtigten Bevorzugung bestimmter Gruppen führen – etwa der eigenen Abteilung – und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit erschwereren.
- Übermäßige Empathie für einzelne Beschäftigte kann dazu führen, dass Führungskräfte deren Bedürfnisse priorisieren, während sie die möglicherweise dringenderen Anliegen anderer Teammitglieder übersehen. Dies kann zu Ungleichbehandlung und Unzufriedenheit im Team führen.
- Zu starke Empathie kann auch dazu führen, dass Entscheidungen eher emotional als sachlich getroffen werden. Dies kann die Objektivität beispielsweise bei Personalentscheidungen, Projektmanagement oder Ressourcenverteilung beeinträchtigen.
- Empathie kann auch zur Manipulation eingesetzt werden. Mitarbeiter:innen oder Führungskräfte, die gezielt an das Einfühlungsvermögen anderer appellieren, können leichter ihre Ziele durchsetzen.
- Besonders in emotional fordernden Berufen, wie im Gesundheitswesen kann übermäßige Empathie zu emotionalem Stress führen. Gerade in solchen Berufen ist ein gesundes Maß an professioneller Distanz unverzichtbar.
Distanz wahren
Während Empathie uns hilft, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, hilft ihr Gegenspieler dabei, die eigenen emotionalen Grenzen zu wahren: Ekpathie ist die Fähigkeit, sich gezielt von den Gefühlen zu distanzieren, die andere in uns hervorrufen.
Ekpathie ist aber keine emotionale Gleichgültigkeit oder ein Mangel an Empathie – vielmehr eine Art Selbstschutz vor emotionaler Überflutung: Die bewusste Distanzierung verhindert, dass uns die Gefühle anderer zu sehr einnehmen. Diese Fähigkeit ermöglicht es, eine gesunde Balance zu finden, einen klaren Kopf zu bewahren und objektive Entscheidungen zu treffen.
Empathie: Eine unverzichtbare Fähigkeit
Für gelungene zwischenmenschliche Beziehungen und erfolgreiche Zusammenarbeit im beruflichen Kontext ist Empathie unverzichtbar. Denn ihre Auswirkungen, z. B. auf Teamdynamik, Führungsqualität und Kundenbeziehungen sind nicht zu unterschätzen. Unternehmen sollten ihre Beschäftigten dabei unterstützen, Empathie als Teil der persönlichen und beruflichen Entwicklung bewusst zu kultivieren. Die Seminare der Haufe Akademie zum Themenfeld Persönlichkeitsentwicklung liefern dazu hilfreiche Strategien und Techniken. Jetzt entdecken!
FAQ
Was ist der Unterschied zwischen Empathie und Mitgefühl?
Empathie lässt uns ähnliche Gefühle wie eine Person empfinden und ihren Gefühlszustand begreifen.
Mitgefühl lässt uns fürsorglich gegenüber einer anderen Person empfinden. Im Fokus stehen dabei mehr die Umstände, in denen sich die Person befindet. Wir freuen uns für jemanden oder bemitleiden seine:ihre Situation und wollen helfen.
Kann man Empathie trainieren?
Ja, Empathie ist lernbar. Hilfreich sind vor allem bestimmte Formen der Meditation. Daneben helfen auch Rollenspiele, die Perspektive einer anderen Person zu verstehen.
Besonders wichtig ist es auch,
- die eigenen Emotionen besser zu erkennen und verstehen,
- eine unvoreingenommene Haltung zu trainieren,
- den eigenen Horizont zu erweitern und
- im Gespräch aktiv und konzertiert zuzuhören.
Wie erkenne ich, ob jemand empathisch ist?
Empathische Menschen erkennst du unter anderem meist daran, dass sie
- andere ernst nehmen,
- viel Fingerspitzengefühl besitzen,
- gut zuhören können und
- unvoreingenommen sind.