Mietminderung: BGH-Urteil stärkt Vermieter

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Ob von Bahnlinie, Biergarten oder Bolzplatz: Wenn die vermietende Person Lärm von außerhalb ertragen müsste, hat auch die mietende Person nicht das Recht, die Miete zu kürzen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden und damit die Rechte von Vermietenden gestärkt. Um einen Rechtsstreit mit Mieterinnen und Mietern wegen Lärmbelästigung von vorne herein auszuschließen, sollten Verwalter:innen von Immobilien jedoch bereits beim Vertragsabschluss einige Aspekte berücksichtigen. Immobilienverwalter Steffen Haase, Vizepräsident des Dachverbands Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) und Geschäftsführer der Immobilienverwaltung Haase & Partner GmbH, gibt Tipps, worauf Vermieter:innen achten sollten.

Darum ging es in dem Fall:

Die Mietenden wohnen in einer Erdgeschosswohnung in Hamburg. Das Wohngrundstück grenzt an eine Schule, auf deren Gelände im Jahr 2010 ein Bolzplatz errichtet wurde – nur zwanzig Meter von der Terrasse der Mietenden entfernt. Laut Beschilderung soll der Platz Kindern im Alter bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18 Uhr zur Verfügung stehen. Ab Sommer 2010 bemängelten die Mietenden gegenüber der vermietenden Person jedoch Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die sich auch außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz aufhielten – am Abend und am Wochenende. Nachdem der Lärm anhielt, minderten die Mietenden ab Oktober 2010 die Miete um 20 Prozent.

Die vermietende Person hielt die Mietminderung für unberechtigt und klagte. Er forderte, dass die Mietenden die ausstehende Miete nachzahlen, da sie nicht berechtigt seien, wegen des Lärms die Miete zu kürzen.

Doch weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Landgericht bekamen die Vermietenden Recht. Die ersten Instanzen sahen die Mietminderung als gerechtfertigt an.

Der Fall landete daraufhin vor dem BGH – und der entschied im Gegensatz zu Amts- und Landgericht, dass Kinderlärm kein Schaden ist und damit kein Grund zur Mietminderung vorliegt (Az: BGH VIII ZR 197/14). Dies gelte insbesondere seit einer Gesetzesänderung von 2011, urteilten die Richterinnen und Richter. Klagen empfindlicher Mieter:innen gegen Babygeschrei aus der Nachbarwohnung oder Kitas in der Umgebung waren deshalb bislang grundsätzlich erfolglos. Geräusche spielender Kinder seien „Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung” und daher grundsätzlich zumutbar, haben Richterinnen und Richter schon mehrfach entschieden.

Beurteilung von „Umweltmängeln”

Konkret ging es in dem Urteil zwar um den Lärm durch einen Bolzplatz. Aber der Bundesgerichtshof hat auch eine Grundsatzentscheidung zu der Frage getroffen, unter welchen Voraussetzungen ein:e Mieter:in einer Wohnung die Miete mindern darf, wenn es „nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen“ gibt (sogenannte Umweltmängel). „Der BGH hat mit dem aktuellen Urteil die bisherige Rechtsprechung aufgehoben“, erklärt Immobilienverwalter Steffen Haase. Denn bislang hatte der:die Mieter:in bei Umweltmängeln generell das Recht, die Miete zu kürzen – auch wenn der:die Vermieter:in gar nicht für die Belästigung verantwortlich war und diese auch nicht abstellen konnte. Beispielsweise etwa dann, wenn die Gemeinde die vor der Wohnung verlaufende Straße umfassend saniert und es dadurch zu Lärm und Dreck kommt.

Nun jedoch ist der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass bei neu aufgetretenen Lärmbelästigungen kein Mangel an der vermieteten Wohnung entsteht, wenn auch der:die Vermieter:in selbst als Eigentümer:in der Immobilie die Belästigungen hinnehmen müsste, ohne Schadensersatz zu bekommen. Entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung habe ein:e Vermieter:in zwar die Pflicht, die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, urteilten die Richterinnen und Richter. Der:die Vermieter:in habe jedoch nicht dafür einzustehen, dass sich Geräusche vom Nachbargrundstück nicht nachträglich vergrößern. Vor allem beim Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen im Mietvertrag – wie dies bei der Mietwohnung neben dem Bolzplatz der Fall war – könne nicht davon ausgegangen werden, so meinten die Richter:innen, dass die Mietvertragsparteien den bei Vertragsschluss vorgefundenen Wohnstandard dahingehend festlegen wollten, dass dieser Zustand sich durch Umwelteinflüsse über die Dauer des Mietverhältnisses nicht nachteilig verändern darf und der:die Vermieter:in den Fortbestand im Wesentlichen zu garantieren habe.

Beschaffenheitsvereinbarung unbedingt vermeiden

In dem vor dem BGH verhandelten Fall war der Mietpartei im Vertrag nicht zugesichert worden, welche Eigenschaften die Wohnung hat. Solche „Beschaffenheitsvereinbarungen” sollten Vermieter:innen und Immobilienverwalter:innen auch generell unbedingt vermeiden, rät Immobilienverwalter Steffen Haase. „Keinesfalls sollte im Vertrag zum Beispiel stehen, dass es sich bei dem Objekt um eine ruhige Parkwohnung oder um eine gehobene Penthouse-Wohnung handelt”, erklärt Haase. Dies suggeriere der mietenden Person bestimmte Eigenschaften: „Und das wäre dann einklagbar.”

Vielmehr, so rät Haase, wären Vermieter:innen gut beraten, gewisse „neuralgische Punkte” der Wohnung im Mietvertrag ausdrücklich zu benennen. Das könne die nahe Bahnlinie sein, der Biergarten im Hinterhof oder eben auch der benachbarte Bolzplatz. Durch eine Formulierung wie „Der Mieterin/Dem Mieter ist bekannt, dass im Hinterhof ein Biergarten betrieben wird und von diesem eine Geräuschkulisse ausgeht” könne sich der:die Vermieter:in gegen spätere Streitigkeiten mit der mietenden Person wappnen. Durch die Unterschrift erkenne der:die Mieter:in die gegebenen Umstände an. „Dadurch verhindert man, dass der:die Mieter:in später beispielsweise kommt und sagt: Ich bin im Winter eingezogen und habe von dem Biergarten nichts gewusst”, sagt Haase.

In aller Kürze: Kernsätze zur Entscheidung des BGH

  • Grundsatz: Die Mietminderung tritt bei Verschlechterung der Mietsache nach Vertragsschluss kraft Gesetzes ein.
  • Die Mietminderung ist unabhängig vom Verschulden der vermietenden Person.
  • Muss der:die Eigentümer:in und Vermieter:in die Beeinträchtigung durch Umweltmängel hinnehmen, dann kann auch der:die Mieter:in sich für die Beeinträchtigung nicht durch Mietminderung schadlos halten.
  • Kann der:die Vermieter:in rechtlich gegen die Umweltbeeinträchtigung vorgehen, ist er hierzu seinem Mieter oder seiner Mieterin gegenüber verpflichtet.
  • Muss der:die Vermieter:in die Beeinträchtigung nur gegen entsprechende Ausgleichszahlungen dulden, kann der:die Mieter:in entsprechend mindern.
  • Etwas anderes gilt nur, wenn bereits im Mietvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde, die die mietende Person vor den eingetretenen Mängeln schützen soll.
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Über den:die Autor:in

Peter-Dietmar Schnabel

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Peter Schnabel ist außerdem langjähriger Berater des Verbandes Haus + Grund e. V. Freiburg und Autor verschiedener Publikationen zum Wohnungseigentums- und Mietrecht.

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