Ununterbrochen rasen Unmengen an Daten durch die Adern unserer Smartphones, iPads & Co. Unsere (Arbeits-)Welt und die Personalentwicklung sind schneller, globaler und digitaler geworden.
Wir sharen und liken Informationen mit Kolleginnen und Kollegen, Bekannten und Unbekannten weltweit. Nicht ohne Grund propagieren Expertinnen und Experten, Unternehmensstrukturen diesen Bedingungen anzupassen. Begriffe wie Agilität und Flexibilität wurden zum heiligen Gral für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. So sollen Entscheidungen demokratisiert und flache Hierarchien eingeführt werden, die Mitarbeitenden sollen selbstbestimmt und eigenverantwortlich arbeiten. Doch wie gestaltet sich das Organisationsdesign in deutschen Unternehmen heute und wie sollte es in Zukunft sein? Welche Rolle nimmt dabei der:die Mitarbeiter:in heute und in Zukunft ein? Um dies herauszufinden, führte die ESCP Europe im Auftrag der Haufe Akademie die Studie „Smart Workforce – Arbeitswelten der Zukunft” durch. Ziel war es herauszufinden, wie Unternehmenseigentümer:innen, Führungskräfte und HR-Mitarbeitende die Arbeitsumgebung ihrer Unternehmen aktuell bewerten und welche Veränderungen sie zukünftig erwarten. Insgesamt wurden hierfür 892 Personen zwischen den Jahren 2015 und 2016 befragt*.
Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Schon heute schreiben sich die befragten Unternehmen selbst die Eigenschaften einer agilen Organisation zu. So schätzen 77 Prozent ihre Unternehmen als selbstgesteuert ein. Flexible und demokratische Strukturen ermöglichen es dem Mitarbeitenden, eigene Ideen einzubringen und selbstbestimmt zu arbeiten. 70 Prozent der Studienteilnehmer:innen weisen ihren Mitarbeitenden aktuell eine solche Gestalterrolle zu. Betrachtet man die Resultate genauer, zeigt sich eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. So wünschen sich zwar 80 Prozent der Befragten Strukturen, die Eigenverantwortung, Mitbestimmung und Gestaltungsfreiheit ermöglichen. Allerdings gaben nur 27 Prozent an, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihres Unternehmens schon heute frei in der Planung und Durchführung ihrer Arbeit seien. Viele Studienteilnehmende zeichnen eher das Bild eines Mitarbeitenden, der aktuell nur ungern Verantwortung übernimmt oder bereit ist, neue Wege zu gehen. Ein solches Verhalten erkennen nur 23 Prozent bzw. 46 Prozent der Befragten. Demgegenüber steht allerdings der Wunsch nach Mitarbeiter:in als Mitunternehmer:in, die gestaltend und eigenverantwortlich den Erfolg der Organisation vorantreiben. Mehr als 70 Prozent der Befragten wünschen sich zudem Mitarbeitende, die langfristige Probleme angehen und eigene Ideen entwickeln. Gleichfalls gaben 48 Prozent an, dass ihre Mitarbeitenden aktuell nur wenig Zeit hätten, um sich mit strategischen Herausforderungen des Unternehmens zu beschäftigen.
Chance und Herausforderung für die Personal- und Organisationsentwicklung
Die zunehmende Bedeutung eines agilen und mitarbeitendenzentrierten Organisationsdesigns spielt dem Personalmanagement in die Hände. So ist es rudimentäre Aufgabe der HR-Abteilung eine Organisations- und Personalentwicklung zu betreiben, die dem veränderten Bild von Unternehmensdesign und Mitarbeitendenrolle gerecht wird. Schließlich ist die schöne neue Arbeitswelt ein „People Business”. Mit immer weniger Köpfen muss immer mehr geleistet werden.
Hier kann sich HR positionieren, einen Rahmen schaffen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigen, ihre Gestalterrolle auszufüllen. So müssen Mitarbeiter:innen über Kompetenzen wie unternehmerisches Verhalten und Kreativität verfügen, die dazu notwendig sind, um Verantwortung zu übernehmen. HR hat hier die Aufgabe integrierend zu wirken. Es müssen sowohl an Weisung gewöhnte Mitarbeitende als auch jene, die partizipative Strukturen und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten fordern, abgeholt und mitgenommen werden. Nur so wird gewährleistet, dass die gesamte Belegschaft neue Wege geht. Der Übergang braucht allerdings professionelle Begleitung. Andernfalls zeigen sich schnell Symptome einer überlastenden Organisation: Wie in einem Hamsterrad strampelt sich dann der:die Mitarbeiter:in ab und liefert am Ende keine brauchbaren Resultate.
Doch wie weit kann die Selbstverantwortung gehen? In einigen Unternehmen entscheiden Mitarbeiter:innen schon heute alleine oder im Team was, wie und wo sie lernen wollen. Dies zeigt, dass herkömmliche Personalkonzepte der neuen Arbeitswelt nicht mehr gerecht werden. Vielmehr gilt es, eine individuelle Personalentwicklung zu etablieren, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Mitbestimmung bei der Wahl geeigneter Weiterbildungsmaßnahmen erhalten.
Bei Trainingsprogrammen sollte verstärkt auf die Vermittlung neuer Kompetenzen,
wie Kreativitätstechniken geachtet werden. Hierbei zeigen sich mit Design Thinking oder Lego Serious Play bereits vielversprechende Ansätze für innovative Werkzeuge in der Personalentwicklung. Der Wandel hin zu einer agilen Organisation kann auch im Rahmen von Förder- und Talentprogrammen erfolgen.
Stärkere Einbindung der Mitarbeiter:innen notwendig
Talentprogramme bieten bereits heute die Möglichkeit, sich außerhalb des Tagesgeschäfts weiterzubilden. Sie entsprechen damit dem Wunsch, mehr Raum zu erhalten, um sich langfristigen Herausforderungen anzunehmen. Besonders wirksam sind solche Programme jedoch erst dann, wenn deren Inhalte nicht zentral festgelegt, sondern auf die individuellen Bedarfe der Mitarbeitenden angepasst werden. Das bedeutet insbesondere für HR dafür Sorge zu tragen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker in die Organisation solcher Programme einzubinden. Coaching kann hier ein erster Schritt sein. Zudem muss HR raus aus der Komfortzone und den Mut aufbringen, bestehende Instrumente und Best Practices infrage zu stellen und für ihr Unternehmen neu zu denken. Grundlegend sind hier neue Arbeitsweisen und Kompetenzen in der Unternehmenskultur. Veränderungen müssen sich in gelebten Riten, neuen Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen. Wenn eine Kultur im Unternehmen nicht konsequent gelebt wird, helfen auch die besten Instrumente nicht, den Grad der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbeteiligung zu erhöhen.
Wandel des Personalmanagements
Für das Personalmanagement selbst bedeutet das, Vorbild zu sein und vorzuleben, was von den Beschäftigten verlangt wird. Um diese Rolle auszufüllen, muss sich HR neu erfinden, informieren und vernetzen. Branchentrends und unternehmensweite strategische Initiativen sollten für HR genau so geläufig sein, wie die weiteren Entwicklungen, die das Unternehmen künftig beeinflussen und verändern könnten. Will HR einen Wandel in Organisation und Kultur vorantreiben, muss es wissen, welche Themen das Management auf dem Schreibtisch hat. Hierfür sind HR-interne Austauschrunden und Workshops wichtig. Persönliche Vernetzung ist das Gebot der Stunde: Wie eine Spinne im Netz können Personaler belastbare Fäden ziehen, wenn sie die richtigen Netzwerke knüpfen und Personen innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens miteinander verbinden.
HR als Treiber der Veränderungen
HR sitzt in der Pole Position, mit der Chance, die neue Arbeitswelt maßgeblich mitzugestalten. Neben einer individuellen Personal- und innovativen Organisationsentwicklung muss HR hierfür selbst zum Gestalter werden. HR muss schneller, globaler und digitaler werden, eigenverantwortlich handeln, unternehmerisch denken und sich vernetzen. Damit trägt HR wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit bei – ohne dabei der Suche nach dem heiligen Gral von Agilität und Flexibilität blind zu folgen.