Talent Management in der Gesundheitsbranche: Dem Fachkräftemangel mit neuen Strategien begegnen

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Das deutsche Gesundheitssystem ist in den Schlagzeilen. Leere Kassen bei den Kassen, zu wenig Mediziner:innen und Pflegepersonal.

Dazu ein hoher Wettbewerbsdruck und eine harte Konkurrenz um das knappe Personal zwischen öffentlichen und privaten Kliniken sowie Einrichtungen. Wo Talente rar und kostbar sind, ist Talent Management dringend notwendig. Lange Jahre war die Welt noch in Ordnung im deutschen Gesundheitssystem. Der Arztberuf war hoch geachtet und begehrt, ein Beruf in der Krankenpflege galt als sichere Bank. Die Krankenkassen bezahlten was gut und teuer war, die Gesellschaft stellte die Finanzierung sicher. Die private Wirtschaft mit ihrem Konkurrenzdruck und Wettbewerb schien Lichtjahre entfernt. Personal war vorhanden – Veränderungen brauchte man nicht.

Rahmenbedingungen fordern heraus

Das ist endgültig vorbei. In Pflege und Behandlung geht es nicht nur um die Gesundheit der Patientinnen und Patienten, es geht um Qualitätsmanagement und Kostenführerschaft. Öffentliche Träger und private Klinikkonzerne liefern sich einen harten Wettbewerb, gedeckelte Budgets und „Fallpauschalen“ erzeugen Druck. Nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen lösen einen hohen Druck aus, auch der zunehmend spürbare Fachkräftemangel. Öffentliche Krankenhäuser und große Krankenhauskonzerne kämpfen mit der Pharmaindustrie um die besten Köpfe. Zu behandelnde Personen werden immer mehr und immer älter, die personellen Ressourcen in einer alternden Bevölkerung immer weniger. Ärzte und Pflegekräfte sind erschöpft, haben ihre Belastungsgrenze erreicht, Personal wandert ab und aus.

Strategisches Personalmanagement fehlt

Sind Kliniken und Pflegeeinrichtungen darauf eingerichtet, dem mit System zu begegnen? Die klare Antwort lautet: Nein. Tatsächlich wird vielerorts Personal immer noch verwaltet, statt die Perspektive eines strategischen Personalmanagements einzunehmen. In vielen Kliniken mangelt es im Funktions- und Pflegedienst an Führungs- und Managementqualifikationen. Traditionell hierarchische Strukturen, in denen sich die verschiedenen Fachrichtungen, Abteilungen und Berufsgruppen häufig weder verstehen noch verständigen und Silodenken vorherrscht, verhindern eine bereichsübergreifende Personalplanung und Talentförderung. Selbst dort, wo beste Absichten bestehen Talente zu fördern, mangelt es an einer strukturellen Verankerung, einem systematischen Vorgehen und an entsprechenden Instrumenten. Nur wenige Kliniken verfügen über die not wendigen professionellen Strukturen. „Personalentwicklungsthemen müssen zunächst in der Regelkommunikation der Mitarbeitenden-führung verankert werden, erst dann lassen sie sich auch übergreifend besser ansprechen – aber bereits daran mangelt es. Grundlegende Führungsinstrumente wie Mitarbeitenden-gespräche gelten bereits als Personalentwicklung“, sagt etwa Hans-Peter Lehnen, OP-Manager OPM + Co. Es besteht hoher Veränderungsbedarf im Bereich des Personalmanagements, des Employer Branding und Talent Recruitings sowie in der Talententwicklung.

Wege aus dem Teufelskreis

Talent Management setzt eine Organisationskultur voraus, die

  • wesentlich auf Wertschätzung und Vertrauen ausgerichtet ist,
  • Personalentwicklung aus einer organisationsstrategischen Perspektive heraus definiert und
  • die Person des Mitarbeitenden mit ihren individuellen Präferenzen und Kompetenzen von Anfang an in den Vordergrund stellt.

Um keine Karrieresackgassen zu produzieren, sollten schon bei der Einstellung die Entwicklungsoptionen in der Organisation mitgedacht werden. Zu berücksichtigen sind zum Beispiel Einsatzmöglichkeiten und Entwicklungsschritte im Bereich ärztlicher Management-Tätigkeiten wie Ausbildungsleitung, Steuerung des Einweiser Netzwerkes, OP-Management oder der strategischen Unternehmensentwicklung. Statt Karrieren auf die Chefarztposition zu fokussieren, bieten sich alternative Karrierepfade auf der Fach- und Oberarztebene an, wie sie zum Beispiel spezialisierte Funktionsoberärzte mit heraus gehobenem Status und angemessener Vergütung darstellen. Sowohl im ärztlichen wie im pflegerischen Bereich kann man den Mitarbeitenden anbieten, ihr Potenzial gezielt zu fördern, zwischen Spezialisierung und Vertiefung zu wechseln und ihr Kompetenzprofil zu erweitern.

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Fünf Schritte zum effektiven Talent Management im Gesundheitsbereich

1) Strategie

Identifizieren Sie Ihre Leistungsträger von morgen mit dem Personalportfolio. Wer handelt sozial kompetent und proaktiv, stellt sich als anpassungsfähig heraus und ist in der Lage, sich weiter zu entwickeln? Wenn Sie Ihre Talente identifiziert haben, sprechen Siedarüber: mit der Geschäftsführung, den Chef- und Oberärzten und natürlich mit den Mitarbeitenden selbst.

2) Get

Glaubwürdiges Personalmarketing und eine überzeugende Reputation als Arbeitgeber sind zentrale Bausteine, um Talente zu gewinnen. Eine persönliche Perspektive zu haben und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt zu bekommen, sind wichtige Entscheidungskriterien für Bewerbende und daher ein entscheidender Punkt in der Recruiting Strategie.

3) Keep

Bindung, Entwicklung und Talent Management sind Teil der Führungsaufgabe von Chefärzten. Diese sollten sich bewusst sein, dass die Führungskräfte und ihre Kommunikationsfähigkeit entscheidend für das interne Image einer Abteilung sind. Schaffen Sie eine Unternehmenskultur, in der jede einzelne Person, die Zusammenarbeit und die Leistung einen positiven Wert darstellen, in der Management-Verantwortung wahrgenommen wird und kollegiale Führung statt Kontrolle erfolgt.

4) Perform

Bieten Sie Ihren Talenten ein Umfeld, das sie begeistert und ihre Leistungsfähigkeit fördert. Kompetenzmodelle, Kompetenzprofile und eine differenzierte Potenzialdiagnostik sorgen für eine transparente Beurteilung und zeigen Perspektiven auf. So gestalten Sie als HR-Professional gezielt die Talente-Entwicklung und eröffnen individuelle Karrierepfade. Natürlich gemeinsam mit dem direkten Linienverantwortlichen und im Dialog mit Ihren Talenten.

5) Develop

Gehen Sie individuell auf ihre Talente ein. Auf der Basis von Job-Familien lassen sich Karrierepfade in verschiedene fachliche Vertiefungsrichtungen entwickeln, die den Kompetenzbereichen der Mitarbeitenden entgegenkommen und individuelle Ressourcen gewinnbringend nutzen. Bereichsübergreifende Talentkonferenzen, Qualifizierungsmaßnahmen und Nachfolgepläne sind wichtige Steuerungsinstrumente und zeigen Synergien und Perspektiven auf.

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Harri Fechtner

Über den:die Autor:in

Harri Fechtner

Diplom-Kaufmann. Langjähriger HR-Manager/Direktor in Dax-Unternehmen und eignergeführten Gruppen im Maschinen-, Anlagenbau und Markenartikelindustrie. Consulting in HR-Organisation-Unternehmensentwicklung in wissensbasierten Industrien und Mittelstand, Konzeption/Implementierung von Instrumenten und Strukturen.

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