AI in HR: Chancen und Risiken

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Der Chatbot beantwortet Fragen zum Sabbatical und eine KI-gestützte Software matcht Kandidat:innen aus dem Talent Pool mit offenen Stellen? Der Einsatz von Artificial Intelligence (AI) im HR-Bereich bietet viele Chancen. Denn sie kann zahlreiche Routineaufgaben übernehmen und Personaler:innen dadurch entlasten. Doch der Einsatz von KI-gestützten Tools und Lösungen birgt neben gewinnbringenden Chancen auch gewisse Risiken und will gelernt sein.

AI in HR-Bereichen: Chancen und Einsatzbereiche

Die Einsatzmöglichkeiten von AI in Personalwesen sind vielfältig. So kann Künstliche Intelligenz beispielsweise den Recruiting-Prozess automatisieren, die Personalentwicklung unterstützen und gleichzeitig die Employee Experience verbessern und dadurch Beschäftigte langfristiger ans Unternehmen binden.

AI im Recruiting-Prozess und bei der Bewerber:innenauswahl

Im Recruiting-Prozess kann Artificial Intelligence beispielsweise eine ausgeschriebene Stellenanzeige optimieren. Ist sie verständlich geschrieben? Enthält sie alle relevanten Anforderungen? Laut einer gemeinsamen Studie des BPM und des Ethikbeirats HR Tech setzen sogar schon heute 14 Prozent der befragten Unternehmen KI-gestützte Tools für die Optimierung von Stellenanzeigen ein . Sind die Bewerbungen einmal eingetroffen, unterstützen KI-Tools bei der Auswahl von Bewerber:innen, indem sie Lebensläufe, Anschreiben und Online-Profile automatisch auslesen. So werden die besten Kandidat:innen basierend auf vorab festgelegten Kriterien identifiziert. Im Bewerbungsprozess kann ein virtueller Assistent oder ein Chatbot häufige Fragen der Kandidat:innen klären und sie während der gesamten Candidate Journey auf dem Laufenden halten. Nach Abschluss des Bewerbungsprozesses kann AI in HR zudem dabei unterstützen, den Prozess zu analysieren und zu verbessern, indem sie die gesammelten Daten auswertet: Über welchen Kanal kamen die meisten Bewerbungen rein? Wie lange warteten Bewerber:innen auf eine Antwort? Das ermöglicht es HR-Verantwortlichen, den Recruiting-Prozess datenbasiert zu analysieren – und kontinuierlich zu optimieren.

AI in der Personalentwicklung und der Weiterbildung

In der Personalentwicklung kann eine KI Lehrpläne erstellen, die individuell auf die Profile und Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden zugeschnitten sind. Dadurch identifiziert sie im gleichen Zuge Potenzialträger:innen und schlägt individuelle Fördermöglichkeiten vor. Durch diese prädiktive Analytik können auch all jene Beschäftigten identifiziert werden, die das Unternehmen potenziell verlassen wollen. Das gibt HR die Chance, gegensteuernde Maßnahmen zu definieren, um Talente im Unternehmen zu halten. Als weitere AI-gestützte Entwicklungsmaßnahme sind auch virtuelle Coach:innen denkbar, die Mitarbeitende jederzeit digital zur Verfügung stehen.

AI in der Employee Experience und der Mitarbeiterbindung

Folgt auf eine gute Candidate Experience im Bewerbungsprozess eine gute Employee Experience, so steigen die Chancen, dass neu gewonnene Talente langfristig im Unternehmen bleiben wollen. Eine Künstliche Intelligenz kann hier unterstützen, indem sie die Stimmung im Unternehmen über Feedback- und Befragungstools ermittelt und analysiert. Basierend auf den Ergebnissen können HR-Verantwortliche entsprechende Maßnahmen definieren und beispielsweise neue Benefits o. Ä. einführen.
Gleichzeitig kann AI die Employee Experience verbessern, indem sie in Form eines „Chatbots for HR“ Informationen zur Verfügung stellt. Haben Beschäftigte beispielsweise Fragen zum Thema Elternzeit, so kann ein HR Chatbot Auskunft geben. Anfragen zu allgemeinen Themen beantwortet dann der „HR Chat“ und nicht das Fachpersonal. Der Vorteil: Mitarbeitende erhalten sofort eine Antwort, ohne tagelang auf eine Antwort durch die Personalabteilung warten zu müssen. Personalverantwortliche hingegen können sich um anderes kümmern, anstatt zum wiederholten Mal eine Antwortmail mit den immer gleichen Informationen zu versenden. Eine Win-Win Situation.

Herausforderungen beim Einsatz von AI in HR

Natürlich sind die Einsatzmöglichkeiten von Künstlichen Intelligenzen im HR-Bereich nicht nur mit Chancen verbunden. Sie bergen zwar enorme Potenziale – aber auch erhebliche Risiken.

Datenschutz und ethische Aspekte

Kommt eine Artificial Intelligence in HR zum Einsatz, so verarbeitet sie in den meisten Fällen personenbezogene Daten. Damit unterliegt sie den strengen Vorschriften des Datenschutzrechts. Je nachdem, welche Tools verwendet und welche Daten verarbeitet werden, können erhebliche Risiken entstehen. Experten und Expertinnen raten daher zur Anonymisierung personenbezogener Daten, beispielsweise durch differenzierten Datenschutz oder die Nutzung synthetischer anstelle tatsächlicher Daten.

Außerdem sind einige ethische Aspekte zu beachten. Denken wir an das Szenario des AI-gestützten Rankings von Bewerbenden oder auch von Beschäftigten. Wer legt fest, welche Stärken vom Algorithmus aufgewertet und welche vermeintlichen Schwächen abgewertet werden? Wird eine KI bereits mit voreingenommen Datensätzen trainiert, besteht die Gefahr unbewusster Verzerrungen. Dann sind auch die Ergebnisse, die die KI liefert, verzerrt und spiegeln kein neutrales Ranking-System wider. Es kommt zu Ungerechtigkeiten im Prozess.

Diese Herausforderung ist bereits vielen HR-Verantwortlichen bewusst, wie die Studie „Zwischen Angst und Aufbruch: Moderne Technologien und KI im HR-Management“ zeigt. So befürworten 80 Prozent der Befragten den Einsatz von Richtlinien beim Thema Künstliche Intelligenz. Es sind jedoch nur 2 Prozent, die die ethische Leitlinie von ver.di für die Entwicklung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz anwenden. Und das, obwohl sie die bekannteste Richtlinie des Feldes ist. Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des BPM und Co-Autorin der Studie, setzt sich daher für ethische Richtlinien ein:

„Unsere Studie unterstreicht die Notwendigkeit pragmatischer, handlungsleitender ethischer Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von KI in HR.“
Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des BPM

Fehlende menschliche Einschätzung

Ein weiteres Problem KI-gestützter Bewerber- oder Mitarbeiterbewertungen ist die fehlende menschliche Einschätzung. AI kann Bewerber und Bewerberinnen zwar nach objektiven Faktoren wie höchster Abschluss, Berufserfahrung und angegebenen Sprachkompetenzen bewerten. Ob die Persönlichkeit jedoch zur Organisation passt und es zu einem „Cultural Fit“ kommt, kann eine KI allerdings nicht beurteilen. Und das ist auch gut so. Schließlich sollte eine Maschine allein nicht über eine Einstellung entscheiden, fehlt es ihr doch an emotionaler Intelligenz und kultureller Sensibilität. Thomas Ondrejka, Gründer von Kickresume, betont daher, wie wichtig es ist, auch Personen einzustellen, die nicht alle Kriterien zu 100 Prozent erfüllen. Stattdessen plädiert er für einen hybriden Ansatz:

„KI-Algorithmen können automatisch Kandidat:innen ablehnen, die bestimmte vordefinierte Kriterien nicht erfüllen. Dies würde dazu führen, dass qualifizierte Bewerber:innen trotz ihres großen Potenzials ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund halte ich es für entscheidend, das richtige Gleichgewicht zwischen der Nutzung von KI-gestützter Effizienz und der Beibehaltung der menschlichen Note im Einstellungsprozess zu finden.”

Akzeptanz und Kompetenz der Mitarbeitenden im Umgang mit KI

AI in HR bringt nur dann eine Arbeitserleichterung, wenn sie auch richtig eingesetzt wird. Und das wiederum setzt kompetente HR-Mitarbeitende voraus, die die KI nicht nur einzusetzen, sondern auch ihre Ergebnisse zu lesen wissen. Dafür braucht es entsprechende Weiterbildungen – und eine allgemeine Awareness zu den Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Einsatzbereiche von KI in HR. Es geht um die Abwägung zwischen den Vorteilen, die durch eine Automatisierung durch KI entstehen, und der menschlichen Expertise.

„HRler müssen sich mit den Wirkungsmechanismen von KI und modernen Technologien auseinandersetzen, um die Qualität von Anwendungen selbst bewerten zu können. Sie tragen die Verantwortung für HR-Entscheidungen und HR-Prozesse – egal ob sie offline, digital oder mit Hilfe KI-basierter Technologien ablaufen. Umso wichtiger werden Lern- und Weiterbildungsangebote auf diesem Gebiet sein, um HR-Organisationen für diese Herausforderungen fit zu machen.”
Dr. Elke Eller, Co-Chair des Ethikbeirats HR Tech

KI-Tools auswählen und einsetzen

Ist die Entscheidung einmal gefallen, AI-gestützte Tools einzusetzen, um einige HR-Bereiche zu unterstützen, so stellt sich die Frage nach der Auswahl und dem anschließenden Einsatz. Zwar setzen bereits knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen der BPM- und Ethikrat-Studie KI im HR-Bereich ein oder planen es. Die Mehrheit hingegen steht noch ganz am Anfang:

 


Rund 30 Prozent der Unternehmen haben bereits KI-Anwendungen implementiert, pilotiert oder planen deren Einsatz. Quelle: BPM, Ethikbeirat HR Tech, 2021.

Die Einführung ist dabei von mehreren Faktoren abhängig: Wie groß ist das Unternehmen? Wie groß ist die HR-Abteilung? Was ist das Kernproblem, das die KI lösen soll? Ist es der Recruiting-Prozess, der durch AI in HR verbessert werden soll, oder die Employee Experience, in die HR aktuell keinen Einblick hat?

Auch müssen bestimmte Risiken beachtet werden: Welche Daten werden erhoben und verarbeitet? Wie werden diese geschützt? Und: Sind die Mitarbeitenden, die die Tools einsetzen werden, ausreichend geschult? Schlussendlich kann Artificial Intelligence for HR nur so effektiv sein wie die Menschen, die sie nutzen (und natürlich die Daten, auf denen sie basiert). Regelmäßige Schulungen sind daher wichtige Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Einführung KI-gestützter Tools im HR-Bereich.

Fazit und Ausblick

AI in HR kann vieles übernehmen, wird jedoch niemals den menschlichen Kontakt ersetzen. HR-Mitarbeitende werden weiterhin gebraucht, um eine persönliche Betreuung sicherzustellen, strategische Entscheidungen zu treffen und komplexe Probleme anzugehen, die nicht durch eine KI automatisiert werden können. Schließlich kann eine KI menschliches Urteilsvermögen und Intuition nicht ersetzen. Es geht also um ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung von KI und menschlichem Fachwissen. Dann ergeben sich diverse Vorteile wie gesteigerte Effizienz, höhere Genauigkeit, Einsparung von Arbeitskosten und eine bessere Employee Experience. So gelingt das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine.

 


¹ Bundesverband der Personalmanager (BPM) & Ethikbeirat HR Tech, „Zwischen Angst und Aufbruch – Moderne Technologien und KI im HR-Management“, 2021. Der Ethikbeirat HR-Tech (ethikbeirat-hrtech.de).
² Bundesverband der Personalmanager (BPM) & Ethikbeirat HR Tech, „Zwischen Angst und Aufbruch – Moderne Technologien und KI im HR-Management“, 2021. Der Ethikbeirat HR-Tech (ethikbeirat-hrtech.de).
³ Bundesverband der Personalmanager (BPM) & Ethikbeirat HR Tech, „Zwischen Angst und Aufbruch – Moderne Technologien und KI im HR-Management“, 2021. Der Ethikbeirat HR-Tech (ethikbeirat-hrtech.de).

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Über den:die Autor:in

Anna Plew

Produktmanagerin Haufe Akademie, M. A. Weiterbildungsforschung & Organisationsentwicklung.

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