Kollegiale Fallberatung: Von Kolleginnen und Kollegen lernen

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Die Arbeitswelt verändert sich rasant und stellt Fach- und Führungskräfte ständig vor neue Herausforderungen. In einem Umfeld, das von Dynamik und Komplexität geprägt ist, ist es für Unternehmen entscheidend, alternative Lösungsprozesse zu etablieren, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. Eine besondere Rolle spielen dabei komplexe Teamkonflikte oder auch der Umgang mit schwierigen Kolleginnen, Kollegen, Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern. In solchen Situationen kann die kollegiale Fallberatung einen wertvollen Beitrag zur Problemlösung und zur Förderung eines konstruktiven Miteinanders leisten.

Denn die kollegiale Fallberatung bietet einen spannenden und sehr effektiven Ansatz. Stellen Sie sich vor: In nur circa 45 Minuten können Sie und Ihr Team von den vielfältigen Erfahrungen Ihrer Kolleginnen und Kollegen profitieren. Das ermöglicht es Ihnen, gemeinsam praxisnahe Lösungen zu entwickeln und gleichzeitig das Teamgefühl zu stärken.

Erfahren Sie, was die kollegiale Fallberatung genau ist und welches Potenzial in ihr schlummert. Zudem erhalten Sie Informationen über die entscheidende Rolle, die Sie als HR-Verantwortliche und HR-Verantwortlicher dabei spielen können.

Die Methode der kollegialen Fallberatung: Was ist das?

Im Kern handelt es sich um strukturierte Gruppengespräche, bei denen berufliche Fragen diskutiert und gemeinsam Lösungsalternativen entwickelt werden. Das Besondere daran ist, dass jede Person sowohl Ratsuchende, Ratsuchender als auch Rat gebende Ansprechperson sein kann. Diese Form der Beratung eignet sich besonders dann, wenn Praxistauglichkeit und Umsetzbarkeit in den Vordergrund rücken. Indem verschiedene Perspektiven und Blickwinkel von neutralen, außenstehenden Personen einbezogen werden, können kreative Lösungen gefunden werden, die ansonsten eventuell übersehen worden wären.

Um sicherzustellen, dass die kollegiale Fallberatung erfolgreich verläuft, ist eine klare Struktur entscheidend, die den Teilnehmenden eine Orientierung bietet. Eine gängige Struktur, die auch von weniger erfahrenen Kolleginnen und Kollegen ohne externe Moderation angewendet werden kann, ist das „Heilsbronner Modell”. Dieses Modell unterteilt den Ablauf in zehn definierte, aufeinander aufbauende Schritte.

Die nachfolgende Variante ist im beruflichen Alltag leicht umsetzbar. Sie nimmt wenig Zeit in Anspruch und hat dennoch eine hohe Wirksamkeit.

Die Rollenverteilung

Für den Erfolg der kollegialen Fallberatung sind vor allem drei Schlüsselrollen entscheidend:

Hierbei spielt die Größe der Teilnehmendengruppe keine entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist, dass jede Teilnehmerin oder jeder Teilnehmer während der kollegialen Fallberatung die eigene Rolle konsequent beibehält. Dennoch empfehlen wir Gruppen von 4-6 Teilnehmenden, da dies eine vertraulichere Atmosphäre schafft.

Die Rolle des HR

Und nicht zu vergessen Sie – aus dem HR-Team. Denn die kollegiale Fallberatung ist kein Selbstläufer. Das Personalmanagement ist hierbei ein entscheidender Prozesslenker, der vor allem zwei Aufgaben hat:

  • Regiefunktion: Stellen Sie sicher, dass die Methode der kollegialen Fallberatung und die Abgrenzung zu anderen Beratungsformen im Unternehmen klar kommuniziert wird. Prüfen Sie, ob Ihre Unternehmenskultur offen genug für die Methode ist. Und stellen Sie sicher, dass die Gruppenzusammensetzung nicht konfliktbelastet ist oder (hierarchische) Abhängigkeiten bestehen, um Vertrauen und Offenheit zu fördern.
  • Promotion und Mobilisierung: Sie sollten die Methode intern vorstellen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermutigen, sich zu beteiligen. Freiwillige, die die Methode vorstellen und promoten, sind Gold wert. Wenn zum Beispiel ein Fertigungsleiter dem Kollegen aus dem Einkauf erzählt, wie hilfreich diese Methode für ihn war, erhöht das die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit.

Ablauf der kollegialen Fallberatung

Je nach Komplexität des Falls und Anzahl der Teilnehmenden können die Zeitangaben nach oben oder unten abweichen. Die angegebenen Zeiten sind – aus Erfahrungen heraus – Mindestzeiten.

  1. Anliegen präsentieren: Hier beginnt alles. Die Moderatorin oder der Moderator, vielleicht aus der Personalabteilung, erklärt die Regeln. Dann ist die fallerzählende Person an der Reihe, das Problem zu skizzieren, während die Kolleginnen und Kollegen als Beraterinnen oder Berater aufmerksam zuhören. (ca. 5 Minuten)
  2. Verständnis und Wertschätzung: Jetzt stellen die Beraterinnen oder Berater klärende Fragen und jede oder jeder von ihnen hebt in einem Satz hervor, was die fallerzählende Person bisher gut gemacht hat. Dieser Teil fördert Verständnis und schafft eine positive Atmosphäre. (ca. 10 Minuten)
  3. Fallanalyse: In dieser spannenden Phase analysieren die Berater:innen den Fall gemeinsam, während die fallerzählende Person nur zuhört. Diese Vorgehensweise ermöglicht es der fallerzählenden Person, die Situation aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und sich von den Ideen inspirieren zu lassen. (ca. 15 Minuten)
  4. Lösungen und Feedback: Die Moderation hält Lösungsvorschläge fest, und die fallerzählende Person überlegt, welche sie ausprobieren möchte. In dieser Phase ist es wichtig, dass die Beraterinnen und Berater sich zurückhalten und keine Bewertungen abgeben, sondern einfach nur zuhören. (ca. 10 Minuten)
  5. Reflexion und Dank: Zum Abschluss tauschen sich alle über die Methodik und die Inhalte des Prozesses aus. Was hat gut funktioniert? Was könnte man noch verbessern? Die fallerzählende Person dankt allen für ihre Unterstützung und Einsichten. (ca. 5 Minuten)

Unsere Seminarempfehlung

HR-Dialog: Gesprächsführung für erfahrene Personaler:innen

Neue Impulse – Kollegiale Fallberatung – Erfahrungsaustausch
In diesem Webinar erhalten Sie die Gelegenheit, etablierte Werkzeuge aus der Gesprächsführung, Methoden und Modelle, die Sie bereits (z. B. in vorherigen Weiterbildungen) kennengelernt und in Ihrem Berufsalltag angewandt haben, aufzufrischen und zu vertiefen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Sie sich zu aktuellen Herausforderungen aus Ihrem HR-Alltag in einer Kollegialen Fallberatung mit Personaler:innen aus anderen Unternehmen und dem:der Trainer:in austauschen.


Seminar: HR-Dialog: Gesprächsführung für erfahrene Personaler:innen

Infobox: Im Teilnehmendenkreis sollten keine Kolleginnen oder Kollegen dabei sein, die direkt am Problem beteiligt sind. Ebenfalls sollten Loyalitätskonflikte zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermieden werden, die die Offenheit und Ehrlichkeit der Diskussion beeinflussen können.

Dieser Ablauf ist einfach und gut verständlich, weshalb er sich hervorragend für den beruflichen Alltag eignet und mühelos selbstorganisiert und in kurzer Zeit umgesetzt werden kann.

Grenzen der kollegialen Fallberatung

Obwohl die kollegiale Fallberatung viele positive Aspekte hat, gibt es Grenzen. So eignet sich die Methode nicht für rechtliche oder äußerst sensible Situationen. In solchen Fällen sollten Expertinnen bzw. Experten hinzugezogen werden.

FAQs:

1. Ist die kollegiale Fallberatung nur für größere Unternehmen geeignet?
Nein, die Methode kann in Unternehmen jeder Größe effektiv eingesetzt werden.

2. Wie oft sollte eine kollegiale Fallberatung durchgeführt werden?
Die Häufigkeit hängt von den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens ab, aber regelmäßige Sitzungen sind empfehlenswert.

3. Kann die Methode auch bei virtuellen Teams angewendet werden?
Ja, die kollegiale Fallberatung kann auch in virtuellen Umgebungen erfolgreich durchgeführt werden.

4. Wie lange dauert eine typische Sitzung der kollegialen Fallberatung?
Die Dauer variiert, sollte jedoch so bemessen sein, dass effektive Diskussionen möglich sind, ohne auszuufern.

5. Gibt es Schulungen für die Einführung der kollegialen Fallberatung im Unternehmen?
Ja, es gibt Schulungen und Beratungsdienste, die Unternehmen bei der Implementierung dieser Methode unterstützen.

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Online-Redaktion

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