Agiles Performance Management

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„The Art of Doing Twice of the Work in Half the Time“ lautet der Untertitel von Jeff Sutherlands Buchs über Scrum, einem der wohl bekanntesten Werke über agile Methoden. Es macht deutlich: Die Steigerung der Performance von Mitarbeitenden und Teams, folglich auch der Performance des Unternehmens, ist ein zentrales Element agiler Vorgehensweisen. Wie unterscheidet sich agiles von klassischem Performance Management? Welche Vorteile, Methoden und Tools bietet agiles Performance Management?

Beim Performance Management, ob in agilen Strukturen oder in klassisch organisierten, geht es um die Steigerung und Steuerung der Leistungserbringung der Arbeitnehmer:innen. Die Beiträge und Arbeitsergebnisse, die von Einzelnen und Teams erbracht werden, sollen in Summe die Umsetzung von Unternehmensstrategien und das Erreichen der Unternehmensziele sicherstellen.

Was ist agiles Performance Management?

Agiles Performance Management ist als die Gesamtheit aller Maßnahmen und Prozesse in agilen Organisationsformen definiert, die der zielorientierten Steuerung von Leistung und Ergebnissen dienen. Dabei steht sowohl die quantitative als auch die qualitative Dimension im Fokus: Es geht um (quantitative) Performance Steigerung und um (qualitative) Performance Verbesserung.

Voraussetzungen für agiles Performance Management

Damit Agiles Performance Management funktionieren kann, sind zwei wesentliche Voraussetzungen zu erfüllen. Diese gelten auch beim klassischen Performance Management: Zum einen, dass die Mitarbeitenden leistungswillig sind. Umgangssprachlich werden Mitarbeitende, auf die dies zutrifft, als „motiviert“ bezeichnet. Damit Aktivitäten des Performance Managements greifen, muss sichergestellt sein, dass sich möglichst jeder Mitarbeitende für die Ziele des Unternehmens engagieren will. Das individuelle Commitment mit den kollektiven Zielen ist eine wichtige Basis für Performance. Fehlt dieses Ziel-Commitment, ist kein hohes Engagement und auch keine sonderliche Performance zu erwarten dürfen.

Die zweite Voraussetzung betrifft die Kompetenzen und Qualifikationen. Damit Mitarbeitende eine gute Performance erbringen können, müssen sie kompetenzgerecht eingesetzt sein. „Der richtige Mensch am richtigen Platz“ ist vielen als Merksatz dazu bekannt. Personalmanager bezeichnen dies als „zutreffende Personalallokation“. Diese ist von hoher Bedeutung: Denn die besten Performance Management Tools werden aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen – und umgekehrt auch nicht.

Wenn die erste Voraussetzung das „Wollen“ betrifft, geht es in dieser zweiten also um „Können“ und „Wissen“. Jeder Mitarbeitende muss wissen, auf welche Weise er in seinem Aufgabenbereich zu den kollektiven Unternehmenszielen beträgt. Dazu muss er die notwendigen Kompetenzen besitzen, um seine Arbeitsaufgaben erfolgreich bewältigen und die erforderlichen Beiträge leisten zu können. Die zweite wichtige Basis für Performance ist das individuelle Potenzial.

Performance und Potential Management

Performance Management ist daher auch immer auch Potential Management. Das führt uns zu der Frage: In wessen Händen liegt die Verantwortung dafür? Wer hat den „Hut auf“ für das Potenzial und Performance Management Während die beiden genannten Voraussetzungen für klassische Strukturen ebenso gelten wie für agile, unterscheiden sich die beiden Organisationsformen bei der Verantwortungsfrage enorm.

In konventioneller Denke liegt die Verantwortung für den Aufbau der Mitarbeitendenpotenziale, für das Management der Mitarbeitenden Performance und für das Schaffen der beiden Voraussetzungen – Aufgaben kompetenzgerecht zuteilen und für Commitment sorgen – bei der Führungskraft. Unterstützung erhält der Vorgesetzte von zentraler Stelle, zumeist dem HR-Bereich, durch Tools wie Balanced Scorecard, Zielvereinbarungssysteme und -formulare, Potenzialanalysen und vieles mehr.

Agile Performance Management Tools zur Sicherung von Potenzial

Anders in agilen Strukturen. Der zuvorderst genannte Wert des Agilen Manifests lautet: „Wir schätzen Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge“. Daher liegt die Verantwortung primär beim Individuum, dem einzelnen Mitarbeitenden. Unterstützung erhält er durch die Interaktion mit dem Team.

Die Voraussetzung der kompetenzgerechten Aufgabenübernahme wird in agilen Organisationsformen erfüllt, indem jeder Mitarbeitende mit Einverständnis des Teams aus dem Aufgabenpool (Backlog) genau diejenigen Arbeiten zu sich zieht, für deren erfolgreiche Umsetzung er die erforderlichen Kompetenzen besitzt.

Fokus auf die Gestaltung einer erfolgreichen Zukunft

Agiles Arbeiten entstand einst aufgrund der Erkenntnis, dass das Wasserfallmodell zu zäh und zu unflexibel ist, um den Anforderungen an marktfähiger Software zu genügen. Längst wird Agilität nicht mehr nur als Methode zur Software-Entwicklung verstanden: Agil soll die Antwort geben auf VUCA, auf den zunehmenden Nebel der Unsicherheit bezüglich zukünftiger Veränderungen. VUCA steht als Akronym für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity, die als Merkmale der digital geprägten Zukunft (oder Gegenwart?) gelten. Um ausreichend flexibel für Veränderungen zu bleiben, nimmt Agile daher allein die nahe Zukunft in den Fokus.

Scrum als der bekannteste und am weitesten verbreitete Methodenrahmen („Framework“) der agilen Welt sieht drei Rollen vor:  Scrum Master, Product Owner und das Team. Ein Scrum Master steuert den Prozess. Er:Sie achtet auf die Einhaltung der Scrum-Regeln, kontrolliert und unterstützt das Team in Prozessfragen. Zudem werden Hemm- und Hindernisse beseitigt, die außerhalb des Einflussbereichs des Teams liegen. Eine Aufgabe, die in klassischen Strukturen der Führungskraft zufällt.

Agile Performance Management Rollen am Beispiel Scrum

Product Owner definieren Produktvision und -ziel, trägt die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit des Projekts und pflegen das Product Backlog. Letzteres stellt eine Kriterienliste von Items dar, die das fertiggestellte und wirtschaftlich verwertbare Produkt zu erfüllen hat. Sie setzten Prioritäten und wählen diejenigen Items aus, die in der nächsten Umsetzungsphase (Sprint) des Teams umgesetzt werden sollen. Das Product Backlog ist somit in steter Veränderung, da Items abgehakt aber auch kundenseitig hinzugefügt werden können.

Das Team macht, wie soll es auch anders sein, die Arbeit. Hierzu erstellt es beim Sprint Planning auf der Basis des Selected Backlog zum einen das Sprintziel und zum anderen die Liste (Sprint Backlog) der Arbeitsaufgaben für den nächsten Sprint – und arbeitet diese ab. Für die Sicherung der Voraussetzung, dass alle für den Projekterfolg erforderlichen Kompetenzen im Team vertreten sind, sorgen Team und Product Owner im Vorfeld gemeinsam. Auch diese beiden Rollen nehmen insoweit Aufgaben wahr, die in klassischen Strukturen in der Hand des direkten Vorgesetzten liegen.

Agiles Performance Management ist Teamaufgabe

Agile Teams sind ermächtigt, ihre Arbeit im Verlaufe eines Sprints selbst zu organisieren. Diese Sprints sind die kleinen Schritte zum Projektziel, wobei der Zeitrahmen stets konstant bleibt. Üblich sind Iterationen von 14 Tagen, in denen das Team zum inkrementellen Wachsen und Werden des Projektergebnisses beiträgt.

Wer – kompetenzorientiert – welche Tasks erledigt, bestimmt das Team. Und auch, in welcher Reihenfolge. Zudem findet täglich ein auf 15 Minuten begrenztes Team Meeting statt, das Daily Scrum. Jedes Teammitglied gibt den anderen Mitgliedern im Stehen die Antworten auf drei Fragen:
1. Was habe ich seit dem letzten Daily Scrum erreicht?
2. Was nehme ich mir für die Zeit bis zum nächsten Daily Scrum vor?
3. Welche Hemm- und Hindernisse bestehen, für die ich Unterstützung benötige?

Damit herrscht für jede:n Mitarbeiter:in Klarheit, was jede:r andere derzeit macht und wo das Team im Prozess steht. Andererseits wird hiermit auch Performance transparent – und Low Performance enorm begrenzt. Das Team achtet darauf, dass jeder einen Schritt nach dem anderen macht, immer weitergeht und nie stehenbleibt. Der aus klassischen Strukturen bekannte Versuch einzelner Low Performer, sich in der Teammasse zu verstecken und es zulasten der anderen etwas gemütlicher anzugehen, ist bei Einsatz von Scrum kein leichtes Unterfangen.

Agile Performance Management Tools zur Sicherung von Commitment und Motivation

Im Vordergrund der kompetenzorientierten Aufgabenverteilung steht Freiwilligkeit: Jede:r Einzelne entscheidet, welche offenen Aufgaben des Sprint Backlogs er übernimmt. Indem sich jedes Teammitglied gegenüber den Kolleg:innen – und nicht etwa gegenüber einem:einer Vorgesetzten – täglich zur Erledigung bestimmter Aufgaben verpflichtet, wird ein starkes Commitment, eine hohe Umsetzungsrate und folglich eine hohe Performance erzielt.

Nach jedem Sprint erfolgt ein „Sprint Review“, bei dem der erreichte Stand vor Kunde(n) und Product Owner präsentiert wird. Hier kann das Team „Zwischenlorbeeren“ einsammeln und sich weitere Motivationsschübe holen. Retrospektiven schaffen dem Team den Rahmen, um den jeweils vorhergehenden Sprint zu reflektieren und um konkrete Maßnahmen abzuleiten, mit denen das Team seine Performance selbst weiter verbessert.

Agile Performance Management Tools zur Messung von Performance und Erfolg

Ein wichtiges Element zur Erfolgsmessung und auch zur Motivation des Teams bildet das Burn-down-Chart. Bei diesem wird der Erledigungsgrad im Hinblick auf das Gesamtprojekt dargestellt: Auf der horizontalen Achse wird die Zeit, auf der vertikalen die Anzahl der noch offenen Punkte abgetragen. Sobald der Graph die x-Achse schneidet, ist das Projektziel erreicht. Mithilfe des Burn-down-Charts kann jede:r – und auch das Team selbst – erkennen, wie performant bzw. erfolgreich es ist.

Daneben können Messgrößen, Kennziffern und Key Performance Indikatoren eine große Rolle spielen. Hier liegen klassische und agile Weisen zur Formulierung konkreter Ziele nicht weit auseinander: Die Messbarkeit und damit auch die Nachvollziehbarkeit des Zielerreichungsgrads wird in beiden Welten großgeschrieben. In agilen Strukturen kommen hierzu primär messbare Key Results zum Einsatz, die die Ziele in dem agilen OKR-System („Objectives and Key Results“) ergänzen. In der klassischen Welt gilt die bekannte S.M.A.R.T.-Formel, bei der das „M“ auf das Messbarkeitserfordernis hinweist.

Agile Performance Management Tools im Umgang mit Hemm- und Hindernissen

Unterschiede zwischen agil und klassisch betreffen auch dem Umgang mit Fremdeinflüssen, Hemmnissen und Hindernissen auf dem Weg zum Erfolg bzw. Ziel. Externe Einflüsse sind in klassischen Arbeitsorganisationen üblicherweise negativ konnotiert. Durchaus typisch sind beispielsweise Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmervertretungen darüber, ob Mitarbeiter:in X überhaupt etwas dafürkonnte, dass die Ziele nicht erreicht wurden. Gerade, wenn auch eine Kopplung der Höhe des Leistungsbonus an dem Zielerreichungsgrad vorgesehen ist, kommt es oftmals zu erbitterten Auseinandersetzungen, die nicht selten vor Gericht enden.

Anders in agilen Organisationen. Durch die Kürze des Sprints werden Zielperioden realisiert, in denen die Teams weitgehend frei von äußeren Einflüssen arbeiten können. Falls dennoch vom Team nicht lösbare Hindernisse („Impediments“) auftauchen, werden vom Scrum Master im Impediment Backlog gesammelt und den jeweils Verantwortlichen zur Beseitigung weitergeleitet. Auch außerhalb der Sprints steht man allen externen Einflüssen grundsätzlich positiv gegenüber. Jegliche Veränderungen – seien sie technologischer Art, Umweltveränderungen oder auch neue Kundenwünsche – werden beim Sprint Review aufgenommen und in zu bearbeitende Items gewandelt.

Agile: Mehr Performance, bessere Performance

Scrum sieht sich als einen Methodenrahmen, in dem die Mitglieder eines Teams in eine hohe Anzahl an Interaktionen untereinander und nach außen gebracht werden. Zum einen, damit externe Veränderungen aufgenommen und berücksichtigt werden können. Und zum anderen, damit die Individual-, Team- und Unternehmensperformance steigt. Denn darum geht es primär beim agilen Performance Management: Doing Twice of the Work in Half the Time.

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Über den:die Autor:in

Gunther Wolf

Diplom-Ökonom, Diplom-Psychologe. Experte für Performance Management, Mitarbeiterbindung, Employer Branding, Zielvereinbarung und variable Vergütungssysteme. Seit 1984 ist er als zertifizierter Management-Berater national und international tätig. Vielfacher Fachautor und Key Note Speaker.

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