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Wertdesign als Tool im Technischen Produktmanagement

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In der heutigen Welt des technischen Produktmanagements gilt es, mehr als funktionale und innovative Produkte zu entwickeln. Unternehmen stellen sicher, dass ihre Produkte langfristig einen echten Mehrwert für Kundinnen und Kunden sowie Nutzer:innen bieten. Sie definieren Produkte als Lösungen einer Aufgabe ihrer Kundschaft. Die Betrachtung liegt auf der einwandfreien Nutzung. Auf dieser Grundlage kann Vertrauen aufgebaut werden.

Die Produktantwort ist komplex: sie enthält verbreitet technisch-physische, aber auch technisch-intelligente Lösungsanteile. Ausgangspunkt ist eine End-to-End-Betrachtung: Kundenaufgabe verstanden – Kundenaufgabe gelöst. Die Produktantwort dazwischen soll das ohne Einschränkung leisten. Die PM-Aufgabe zu der Verwirklichung ist noch bedeutender geworden.

Es ist im Markt zu beobachten, dass aktuell die Fehlerhaftigkeit von Leistungen leider zunimmt und Nacharbeiten fast zur Regel werden. Das ist mehr als ärgerlich für alle Beteiligten. Hintergrund: Agiles Management wird mit Trial und Error verwechselt. Ein fatales Missverständnis. So wird das Vertrauensverhältnis zwischen Anbieter und Kundschaft gestört oder zerstört. Die Grundaufgabe Produktmanagement wird dann nur unzureichend erfüllt.

Hier kommt das Konzept des Wertdesigns ins Spiel.

Was ist Wertdesign?

Wertdesign (Value Design) beschreibt einen systematischen Ansatz zur Gestaltung von Produkten, bei dem der Fokus auf der Wertschaffung für Kundinnen und Kunden liegt. Steve Jobs soll jeweils gefragt haben, ob die Nutzer:innen das gerade betrachtete Feature so auch wirklich haben möchten.

Systematisch wird eine Lösung danach unterteilt, welche Anteile Wert für Kundinnen und Kunden schaffen, welche Anteile dieses nicht leisten; in der Nicht-Leistung liegt eine Verschwendung. Diese ist möglichst zu eliminieren.

Das ist der Grundgedanke des Wertdesign: möglichst viel Wert für die Kundschaft schaffen.

Das bedeutet, den Wert eines Produkts nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf Nutzererfahrung, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu optimieren. Darüber lässt sich mit den Kundinnen und Kunden sprechen, das ist eine gute Grundlage für die Vertriebsarbeit.

Die Säulen des Wertdesigns

1. Kundenorientierung

  • Ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Kundschaft ist essenziell. Customer Insights sind die entscheidende Grundlage im Produktmanagement.
  • Methoden wie Design Thinking helfen, Anforderungen gezielt zu identifizieren. Die Methode fordert auf, die Thematik mit Blick auf die Zielgruppe erst zu vertiefen, um die Größe der Aufgabe aus Kundensicht wirklich zu erkennen, bevor in Ideengewinnung übergegangen wird. Meistens haben die Kundinnen und Kunden selbst diese Höhe noch nicht realisiert.

2. Technologische Exzellenz

  • Moderne Technologien sollen nicht nur innovativ sein, sondern auch echten Mehrwert liefern. Interne Schnittstellen dürfen nicht zu Brüchen im Nutzungserlebnis führen. Eine Swimlane – ein Mitwirkungsfluss über Abteilungsgrenzen hinweg – kann die Zusammenhänge visualisieren.
  • Skalierbarkeit und Zukunftssicherheit spielen eine entscheidende Rolle. Der Software-Teil erfährt permanent Updates, das Denken sollte auch in den physischen Teil aufgenommen werden: permanente Verbesserungen. Voraussetzung ist die Konnektivität, der Megatrend unserer Zeit.

3. Wirtschaftlichkeit

  • Produkte müssen nicht nur technisch überzeugen, sondern auch wirtschaftlich tragfähig sein. Diese Perspektive gilt für Anbietende und Nachfragende: wenn etwa eine Anlage energieeffizienter arbeitet, lohnt sich in einer Gesamtnutzungsbetrachtung die Investition – auch im Vergleich zu kostengünstigeren Anlagen mit höherem Verbrauch.
  • Die Balance zwischen Produktionskosten, Preisgestaltung und Marktnachfrage ist entscheidend. Pricing ist ein umfassender systemgestützten Ansatz geworden, der die Nachfrage berücksichtigt. Es gilt ein Erlösmodell zu konzipieren, das als fair empfunden wird und in der Lage ist, gute Deckungsbeiträge zu generieren.

4. Nachhaltigkeit und Verantwortung

  • Umweltfreundliche Materialien, langlebige Produkte und soziale Verantwortung gehören zum modernen Produktdesign. Die ESG (environmental, social, governmental) – Kriterien gehören zur Berichterstattung von Unternehmen.
  • Kundinnen und Kunden erwarten zunehmend nachhaltige Lösungen und belohnen Unternehmen, die diese Prioritäten setzen.

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Wertdesign ist mehr als nur eine Methode – es ist eine Philosophie, die dem Produktmanagement hilft, nachhaltig erfolgreiche Produkte zu entwickeln. Zwei Wege werden typischerweise beschritten:

  • Lösungen so zu konzipieren, dass die Abläufe ohne Friktionen funktionieren (Top-down-Ansatz: Vermeidung von Komplikationen durch einfache Strukturen), verbreitet Konzeption modularer Lösungen mit einfachen Kombinationsmöglichkeiten.
  • Permanente Verbesserungen der Abläufe – technisch und administrativ (Bottom-up-Ansatz), Remote-Wartung, um das Nutzungserlebnis kaum zu unterbrechen.

Die besten Möglichkeiten der Leistungsbeeinflussung existieren ganz am Anfang. Mit Wertdesign (Value Design) kann man dann auch höhere Leistungsebenen eines Produkts erreichen, indem man gezielt den wahrgenommenen und tatsächlichen Wert entlang der Säulen des Wertdesigns für den Kunden steigert:

1. Kundenzentrierte Wertsteigerung

  • Kundenbedürfnisse analysieren: Welche Funktionen oder Eigenschaften bringen den größten Mehrwert? Steve Jobs hatte erkannt, als er 2007 das iPhone auf den Markt brachte, dass die bisherigen Mobiltelefone mit Tasten wegen der wachsenden Funktionen inzwischen unpraktikabel waren. Diese Sicht führte dazu, die Bedienung in den Mittelpunkt zu stellen.

Das Verständnis, die Interpretation der Customer Insights kann auf eine höhere Ebene durch „Warum“-Fragen gebracht werden, um die wahren Motive zu entdecken. Kunden können das selbst nicht erkennen, sie sind keine Experten. Die höhere Stufe, die Abstraktion ermöglicht der Produktentwicklung weiterführende Ideen zur Lösung.

  • Personalisierung und Individualisierung integrieren: Anpassbare Produkte erhöhen die Attraktivität. Die Frage: Welche Möglichkeiten hat unser Unternehmen, mit modularen Bausteinen Individualisierungen zu organisieren? Die Prozess-Steuerung bleibt einfach, die Lösungen bieten eine variable passende Antwort für Kundinnen und Kunden.
  • Nutzererfahrung optimieren: Einfache Bedienung und ansprechendes Design steigern den Wert. Gerade im technischen Produktmanagement können intuitive Handhabung und ein ansprechendes Design verbreitet deutlich ausgebaut werden. Die Bedeutung der Präsentation darf niemals unterschätzt werden: was elegant ist, wird bevorzugt, ihm werden bessere Fähigkeiten zugeordnet. So ticken wir als Kundinnen und Kunden. Design und Haptik bestimmen die Einordnung in unseren Köpfen.

2. Technologische Innovationen

  • Neue Materialien und Fertigungstechniken prüfen: In der Produktentwicklung gehören gerade Ansätze ganz anderer Lösungsmöglichkeiten an den frühen Anfang. Es hat sich oft gezeigt, dass durch Wechsel von Verfahren und Rohstoffen Haltbarkeit, Funktionalität und Ästhetik erhöht werden.
  • Digitale Integration vornehmen: Smart-Funktionen oder KI-gestützte Anpassungen verbessern die Performance. Die Möglichkeiten haben sich in der jüngsten Vergangenheit bereits stark verbessert, werden sich noch deutlich erweitern. KI wird ein übliches Werkzeug.
  • Effizienzsteigerung erreichen: Energiesparende und leistungsfähigere Komponenten erhöhen den Nutzen. Die Energiethematik wird bleiben.

3. Wirtschaftliche Optimierung

  • Preis-Leistungs-Verhältnis justieren: Total Cost of Ownership ist schon heute der Modus des Austauschs. Der sich verbreitende Lösungsansatz wird diese Denkweise forcieren, er passt zum Wert in der Nutzung des Angebots.
  • Produkt und Dienstleistung kombinieren : Das Lösungsdenken wird einen Gesamtansatz insbesondere im B2B-Bereich zum Standard erheben, in den Produktionen werden cyber-physische Mensch-Maschine-Systeme eingesetzt. Services oder Garantien steigern den Wert.
  • Modulares Design einführen: Es ermöglicht Upgrades und Anpassungen ohne Neukauf. Es kann auch einen Lock-in-Effekt haben. Gutes Beziehungsmanagement zur Erhaltung der Zufriedenheit ist unabdingbar.

4. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung

  • Nachhaltige Materialien und Prozesse präferieren: Umweltfreundlichkeit ist ein ergänzendes Kaufargument. Sie ist eher nicht der Hauptgrund für eine Anschaffung, ermöglicht aber mentale Einzahlungen auf die geforderte Berichtspflicht wie auf die Vermarktung. Sie wird gerne mitgenommen und kann so den entscheidenden Unterschied bringen.
  • Langlebigkeit und Reparierbarkeit organisieren: Es gibt verbreitet ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach der neuesten Technik bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen. Das Qualitätsmanagement ist zentral. Eine gute Balance in der Lösung überzeugt und reduziert gleichzeitig die Gesamtbetriebskosten für die Kundschaft.
  • Soziale Verantwortung wahrnehmen: Faire Produktion und ethische Werte stärken das Markenimage. Das ist die beste Grundlage für die Vermarktung. Ein Produkt mit emotionalem Mehrwert (Nachhaltigkeit, Exklusivität) hebt sich ab. Der Begriff des „Framing“ hat schon den Alltag erreicht. Kundinnen und Kunden haben ein ausgeprägtes Gefühl für Echtheit.

Fazit

Durch diese Säulen kann Wertdesign dazu beitragen, dass Produkte nicht nur leistungsfähiger werden, sondern auch einen höheren wahrgenommenen Nutzen für die Kundschaft bieten. Das ist die Erfolgsbasis des Produktmanagements.

Wenn die Produktentwicklung von Anfang an den Gedanken der optimalen Leistung während der Nutzungszeit verfolgt, können die Weichen früh – es wird vom fuzzy front end of innovation, der noch ganz offenen unstrukturierten Anfangsphase der Innovation gesprochen – problemlos so gestellt werden. Später wird es schwieriger: Erforderliche Änderungen haben oft erhebliche Auswirkungen für Produktion und Montage sowie Wartung.

Das Wertdesign arbeitet mit Visualisierungen und Checklisten. Die Visualisierung kann das Zusammenspiel, die Schnittstellen und damit die möglichen Bruchkanten erkennen lassen. Eine Checkliste kann nach den vier Säulen unterteilt werden, Einzelteile oder einzelne Prozesse und deren Teilprozesse auflisten und mit den modernen Anforderungen kombiniert werden. So entsteht eine Matrix aus Kundenanforderungen und Lösungsteilen, Grundlage des Produktmanagements.

Ein Wertdesign-Team beginnt am besten mit der heutigen Lösungsantwort für Kundinnen und Kunden. Drei Weiterführungen sind denkbar:

  • Quick Wins: Bestehende Lösungen werden durch Wertdesign kurzfristig verbessert.
  • Qualitätssprung in der Nachfolge-Entwicklung: Sie beginnt mit abgeleiteten Verbesserungsforderungen aus der Wertdesign-Analyse.
  • Echte neue Lösungen: Sowohl ein Nachfolgeprodukt wie ein gänzlich neues Produkt starten mit einem tiefen Verständnis der Lösung durch Wertdesign, berücksichtigen zusätzlich aufkommende neue technische Ansätze.
    Hier empfiehlt sich eine Konfrontation mit Zukunftsszenarien, am besten in Form einer Delphi-Methode. Bei diesem Verfahren werden Experten eingeladen zur Schaffung eines Zukunftsbildes für die betrachtete Branche.
    Die Neukonzeption sollte dann unter dem Blickwinkel des Wertdesigns geprüft werden: was schafft Nutzen für die Kundschaft?

Indem technische Produktmanager:innen den Ansatz des Wertdesigns von Anfang an und permanent verfolgen, können sie Innovation, Wirtschaftlichkeit und Nutzerzufriedenheit in Einklang bringen und sich langfristig am Markt behaupten. Die Nutzungserfahrung zählt. Sie soll immer stimmen, am Anfang und im Laufe der Zeit bei steigenden Ansprüchen – sei es ausgelöst durch die Kundinnen und Kunden selbst oder getrieben durch den Wettbewerb. Denn dann hat es die Vermarktung leicht. Sie hat eine Unterschieds-Leistung als Grundlage. Das ist immer wieder die Erfolgsformel.

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Über den:die Autor:in

Lothar Keite

ist Diplom-Kaufmann und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für Ökonomie und Management. Er arbeitet als selbstständiger Berater und Trainer für Strategie, Marketing und Vertrieb und ist als Referent für die Haufe Akademie tätig.