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Lernen durch Lehren

Wissenstransfer systematisch gestalten

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Wenn Mitarbeitende ihr Wissen an Kollegen beziehungsweise Kolleginnen weitergeben, profitieren beide Seiten: Die Lehrenden vertiefen ihr Fachwissen durch intensive Auseinandersetzung, die Lernenden erhalten praxisnahes Know-how auf Augenhöhe. Lernen durch Lehren macht diesen Effekt zum Prinzip und schafft damit eine lebendige Lernkultur in Ihrem Unternehmen. Erfahren Sie im Folgenden, wie Sie die Methode erfolgreich in der Personalentwicklung einsetzen und welche konkreten Vorteile sie für den Wissenstransfer und Kompetenzaufbau bietet.

Lernen durch Lehren: Das Wichtigste in Kürze

  • Lernen durch Lehren (LdL) macht Mitarbeitende zu Wissensvermittler:innen – wer anderen etwas beibringt, vertieft das eigene Verständnis am intensivsten und trägt aktiv zum Wissenstransfer im Unternehmen bei.
  • Die Methode bringt fünf zentrale Vorteile: Sie verankert Fachwissen nachhaltig, stärkt kommunikative und soziale Kompetenzen, steigert die Motivation, schafft eine effektive Wissensvermittlung und fördert die Unternehmens- und Lernkultur.
  • Praktische Formate wie Onboarding durch Kollegen und Kolleginnen, Lunch & Learn, Communities of Practice, Reverse Mentoring oder Peer-Training zeigen, wie vielfältig sich LdL in der betrieblichen Weiterbildung einsetzen lässt.
  • Die erfolgreiche Umsetzung erfordert eine offene Lern- und Fehlerkultur, Qualifikationen der Wissensvermittler:innen sowie passende technische Tools und organisatorische Strukturen.
  • Als Zukunftstrend integriert sich Lernen durch Lehren nahtlos in hybride, agile Lernformate – unterstützt durch digitale Plattformen und KI-gestützte Content-Erstellung für niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten.

Was ist Lernen durch Lehren?

Lernen durch Lehren (LdL) ist eine aktivierende Methode, bei der Mitarbeitende selbst zu Wissensvermittler:innen werden. Der Kerngedanke: Wer anderen etwas beibringt, lernt am intensivsten. Durch die Vermittlerrolle müssen Inhalte besonders gut durchdrungen, strukturiert und verständlich aufbereitet werden – ein Prozess, der das eigene Verständnis für die jeweiligen Inhalte erheblich vertieft.

Entwickelt wurde das Konzept ursprünglich von Jean-Pol Martin für den Schulunterricht. Heute hat es sich auch in der betrieblichen Weiterbildung etabliert. Isabelle Schuhladen-Le Bourhis hat die Methode weiterentwickelt und ihre Anwendung in verschiedenen Lernkontexten erforscht. Jean-Pol Martins Ansatz betonte bereits die Aktivierung der Lernenden und ihre Rolle als Gestalter:innen des Lernprozesses.

Die Methode: So funktioniert Lernen durch Lehren

Das Grundprinzip von LdL basiert auf einem klaren Rollentausch: Mitarbeitende übernehmen aktiv die Vermittlung von Wissen an ihre Kolleginnen und Kollegen. Statt Inhalte passiv zu konsumieren, gestalten sie Lernprozesse eigenverantwortlich.

Die Implementierung erfolgt dabei strukturiert in drei Schritten, lässt aber Raum für die individuelle Gestaltung.

1. Themenauswahl und -vorbereitung

Die Mitarbeitende wählen ein Thema aus ihrem Fachgebiet oder bereiten einen zugewiesenen Inhalt eigenständig auf. Dabei recherchieren sie Quellen, strukturieren die Inhalte und überlegen, wie sie das Wissen verständlich vermitteln können.

Diese Phase erfordert die intensivste Auseinandersetzung mit der Materie – die Lernenden werden zu Experten beziehungsweise Expertinnen ihres Themas.

2. Wissensvermittlung

Die eigentliche Vermittlung kann unterschiedliche Formate annehmen:

  • klassische Präsentationen
  • interaktive Workshops
  • digitale Sessions
  • Peer-to-Peer-Gespräche

Entscheidend ist, dass die lehrende Person den Raum aktiv gestaltet und Kollegen und Kolleginnen zum Mitdenken und Diskutieren einlädt.

3. Austausch und Reflexion

Nach der Wissensvermittlung folgen eine Diskussion und Feedback. Die Gruppe reflektiert gemeinsam die Inhalte, klärt offene Fragen und vernetzt sich zu dem Thema. Auch die lehrende Person erhält Rückmeldungen zur Vermittlung und lernt daraus für künftige Situationen.

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5 Vorteile durch Lernen durch Lehren für Unternehmen

Die systematische Integration des LdL-Prinzips bringt messbare Effekte für Ihr Unternehmen.

1. Tieferes Fachwissen

Wer unternehmensspezifisches Wissen an andere vermittelt, muss Inhalte besonders fundiert verstehen und klar strukturieren. Studien (Studie der University of California, Studie der University of Georgia) zeigen: Der tiefe Verarbeitungsgrad und das anschließende Erklären-Müssen sorgen für eine nachhaltigere und tiefere Wissensverankerung als beim einfachen Aufnehmen von Inhalten. Zusätzlich führt dieses tiefere Verständnis zu besseren Transferleistungen im Berufsalltag.

2. Stärkung sozialer und kommunikativer Kompetenzen

Die LdL-Methode stärkt kommunikative und soziale Fähigkeiten wie Präsentieren, Teamarbeit und konstruktiven Austausch. Die Entwicklung von Selbstsicherheit, Organisationsvermögen und Moderationskompetenz wird durch die aktive Rolle als Lehrende gestärkt.

Diese überfachlichen Kompetenzen zahlen auf die langfristige Entwicklung der Mitarbeitenden ein.

3. Höhere Motivation und Eigeninitiative

Mitarbeitende, die aktiv Wissen weitergeben, stärken nicht nur ihre Fachkompetenz, sondern steigern auch ihre intrinsische Motivation (Quelle 1, Quelle 2) . Wer als Experte oder Expertin wahrgenommen wird und andere unterstützen kann, empfindet das als sinnstiftend.

Die gemeinsame Gestaltung und das Teilen von Wissen begünstigen die Identifikation und das Engagement in der Belegschaft.

4. Effektiver Wissenstransfer

Lernen durch Lehren macht verborgenes Expertenwissen sichtbar und für alle zugänglich. Die Methode bricht Wissenssilos auf und sorgt dafür, dass Wissen nicht auf einzelne Personen beschränkt bleibt, sondern zur Ressource des Unternehmens wird.

Gerade beim Ausscheiden erfahrener Mitarbeitender oder bei Teamwechseln sichert dieser Ansatz kritisches Know-how.

5. Förderung der Unternehmens- und Lernkultur

Das Prinzip unterstützt kollaborative Lernformen, stärkt Netzwerke und fördert lebenslanges Lernen im Unternehmen. Eine offene Lernkultur, in der Mitarbeitende ihr Wissen teilen, wirkt sich positiv auf die Innovationskraft aus.

Lernen durch Lehren macht Social Learning zur gelebten Praxis und verankert die Haltung, dass alle voneinander lernen können – unabhängig von Hierarchien oder Seniorität.

Praxisbeispiele: So setzen Sie Lernen durch Lehren richtig ein

Wie geschildert, lässt sich das Lernen durch Lehren flexibel in verschiedenen Formaten umsetzen. Folgende Beispiele zeigen bewährte Ansätze aus der betrieblichen Praxis.

Onboarding durch Kollegen und Kolleginnen

Neue Mitarbeitende lernen wichtige Aufgabenbereiche und informelles Wissen im Onboarding direkt von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die als Wissensmultiplikator:innen geschult werden.

Diese Peers vermitteln nicht nur fachliches Wissen, sondern auch die Unternehmenskultur und die ungeschriebenen Regeln.

Lunch & Learn und Lessons Learned

Die Mitarbeitende gestalten kurze Impuls- oder Lern-Sessions für Kolleginnen und Kollegen in der Mittagspause zu aktuellen Fachthemen oder Best Practices aus der eigenen Arbeit. Das Format ist niedrigschwellig, erfordert keine aufwendige Vorbereitung und macht Wissen schnell verfügbar.

Gescheiterte Projekte lassen sich in Lessons-Learned-Formaten als wertvolle Lerngelegenheiten nutzen.

Communities of Practice und interne Barcamps

In selbstorganisierten Lerngruppen oder Barcamps fungieren Beschäftigte abwechselnd als Lehrende und Teilnehmende, teilen Erfahrungen und geben Einblicke in ihre Spezialgebiete. Die Themen entstehen aus den aktuellen Bedarfen der Gruppe, wobei die Verantwortung für die Themenwahl rotiert. So entsteht ein lebendiges Netzwerk des Wissensaustauschs.

Reverse Mentoring

Jüngere, digital affine Mitarbeitende übernehmen die Rolle von Wissensvermittler:innen und schulen Führungskräfte oder erfahrene Kolleginnen und Kollegen in digitalen Tools und Methoden. Dieser umgekehrte Wissenstransfer durchbricht Hierarchien, fördert das gegenseitige Verständnis und beschleunigt die digitale Transformation.

Peer-Training bei Prozess- oder Tooleinführungen

Erfahrene Mitarbeitende bereiten ein Fachthema auf und geben dieses Wissen als Peer-Trainer:innen oder in kurzen Workshops an ihre Kolleginnen und Kollegen weiter. Besonders verbreitet ist dieses Format bei der Einführung neuer Technologien, Prozesse oder gesetzlicher Vorgaben.

Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung von Lernen durch Lehren

Damit Lernen durch Lehren seine Wirkung entfalten kann, braucht es bestimmte Rahmenbedingungen im Unternehmen.

Offene Lern- und Fehlerkultur

Eine Kultur, in der ein Wissensaustausch, Fehler als Lernchance und eine gegenseitige Unterstützung selbstverständlich sind, ist grundlegend. Führungskräfte müssen dafür eine Vorbildfunktion leben und den Prozess aktiv unterstützen.

Gleichzeitig muss die Zeit für Lernen und Wissensvermittlung fest eingeplant sein, denn ohne Zeitdruck entfaltet Lernen durch Lehren seine volle Wirkung.

Kompetenzen der Mitarbeitenden

Die Mitarbeitenden benötigen kommunikative Kompetenzen, Teamfähigkeit, Selbstorganisation und selbstkritische Reflexion. Auch die Fähigkeit, Inhalte strukturiert zu vermitteln, sowie Offenheit für neue Lernrollen sind wichtig. Gleichzeitig werden diese Kompetenzen direkt durch die Praxis von LdL gefördert.

Digitale Kompetenzen und der sichere Umgang mit Kollaborationstools unterstützen vor allem in virtuellen Teams die Prozesse. Ein Praxishandbuch oder ein Kompendium mit methodischen Tipps hilft Wissensvermittler:innen bei der Vorbereitung ihrer Sessions.

Organisatorischer und technischer Rahmen

Die technische Infrastruktur bildet die Basis: Lernplattformen, Social-Media-Tools und Collaboration-Systeme ermöglichen es, Lernerfahrungen zu dokumentieren und Mitarbeitende zu vernetzen. Ergänzend braucht es organisatorische Strukturen wie die genannten Praxisbeispiele, in denen der Wissensaustausch stattfinden kann. Die Personalentwicklung unterstützt diesen Prozess durch die didaktische Begleitung der Wissensvermittler:innen und sorgt so für einen professionellen Rahmen.

Herausforderungen bei der Umsetzung von Lernen durch Lehren richtig bewältigen

Bei der Umsetzung im Unternehmensalltag können verschiedene Hürden auftreten. Mit den richtigen Strategien lassen sie sich bewältigen.

  • Zeitliche und organisatorische Engpässe umgehen: Unternehmen sollten Lernzeiten verbindlich in Arbeitsplänen verankern, Räume bereitstellen und Lernzeiten von Führungskräften priorisieren lassen.
  • Motivation und Akzeptanz schaffen: Wertschätzung zeigen, Erfolge sichtbar machen und das Engagement für Wissensvermittlung als Leistung anerkennen, sind Aspekte, die die Motivation stärken können. Gamification-Elemente oder Zertifizierungen können zusätzliche Anreize setzen.
  • Kompetenzunterschiede und Rollenkonflikte vermeiden: Eine didaktische Begleitung und Tandembildung helfen, unterschiedliche Erfahrungslevel auszugleichen. Weniger erfahrene Wissensvermittler:innen lernen dabei von routinierten Kolleginnen und Kollegen. Nicht alle müssen perfekt präsentieren können – es zählt, Wissen authentisch zu teilen.
  • Technische Hürden meistern: Unternehmen sollten passende Tools bereitstellen und Schulungen zum Umgang mit digitalen Lernplattformen anbieten. Besonders wichtig ist dabei die barrierefreie Nutzbarkeit der Technik, damit alle Beteiligten gleichermaßen partizipieren können.
  • Qualitätssicherung gewährleisten: Feedbackschleifen etablieren, Lernerfolge der Lernenden evaluieren und die Methode kontinuierlich weiterentwickeln, sind zentrale Maßnahmen für nachhaltigen Erfolg. Ein regelmäßiger Austausch darüber, was funktioniert und was optimiert werden kann, sichert die Qualität des Wissenstransfers.

Ausblick: Lernen durch Lehren als Zukunftstrend

Lernen durch Lehren ist längst ein zentraler Bestandteil moderner Lernkulturen wie Social Learning und Collaborative Learning, die auf Austausch, Kooperation und gemeinsames Wissenswachstum setzen. Durch die Integration digitaler Lernplattformen und die Verbindung von Präsenzlernen mit digitalen Tools lässt sich das Prinzip von LdL heute mühelos in hybride Lernsettings übertragen.

Gleichzeitig ermöglicht die Methode für individualisierte Lernpfade, die gezielt auf die jeweiligen Entwicklungsbedarfe und Potenziale der Mitarbeitenden eingehen. Digitale Tools und KI-gestützte Content-Erstellung senken zudem die Einstiegshürden, erleichtern die Aufbereitung von Lerninhalten und machen Mitarbeitende zu aktiven Gestaltenden ihrer eigenen Lernprozesse.

Die Haufe Akademie unterstützt Sie dabei, kollaborative Lernformate wie Lernen durch Lehren erfolgreich in Ihrem Unternehmen zu verankern. Mit dem 360° L&D-Ansatz begleiten wir Sie als Partner bei der Transformation hin zu einer lebendigen Lernkultur – von der Konzeption über die Implementierung bis zur nachhaltigen Etablierung.

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FAQ

Für welche Zielgruppen eignet sich Lernen durch Lehren?

Die Methode eignet sich für alle Mitarbeitenden, die über Fachwissen verfügen und bereit sind, dieses mit anderen zu teilen. Besonders wirksam ist sie bei erfahrenen Fachkräften, die ihr Expertenwissen weitergeben möchten, bei neuen Mitarbeitenden, die durch die Vermittlerrolle schneller lernen, und in crossfunktionalen Teams, die voneinander profitieren können.

Wie entwickeln Mitarbeitende durch die Methode ihre Kompetenzen?

Durch die aktive Vermittlerrolle entwickeln Mitarbeitende systematisch Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen. Sie vertiefen ihr Fachwissen, trainieren Präsentations- und Moderationsfähigkeiten und stärken ihre kommunikativen Skills. Gleichzeitig wachsen Selbstvertrauen und Eigenverantwortung – Fähigkeiten, die weit über den konkreten Lerninhalt hinaus wertvoll sind.

Welche Lernerfolge sind zu erwarten und wie lassen sie sich messen?

Lernerfolge zeigen sich in einer stärkeren Wissenssicherung, einer gesteigerten Anwendungskompetenz und einer verbesserten Zusammenarbeit im Team. Messen lässt sich der Nutzen durch Wissenstests vor und nach der Vermittlung, durch qualitatives Feedback der Beteiligten, durch die Beobachtung verbesserter Arbeitsabläufe und durch die Analyse des Wissenstransfers („Wie schnell verbreitet sich Know-how im Team?”).

Welche Rolle spielt Lernen durch Lehren für die Lernkultur im Unternehmen?

Die Methode prägt die Lernkultur nachhaltig: Sie etabliert Wissensaustausch als Normalität, reduziert Barrieren zwischen Hierarchieebenen und macht lebenslanges Lernen erlebbar. Unternehmen, die LdL konsequent nutzen, schaffen eine Kultur der Offenheit, in der Wissen nicht als Machtressource gehortet, sondern als gemeinsames Gut verstanden wird.

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Online-Redaktion