Der evolutionäre Führungsstil

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Führung ist ein komplexer Vorgang und die Führungsstile entwickeln sich stetig weiter. Kurt Lewin war einer der ersten Wissenschaftler, der verschiedene Führungsstile darstellte: In der heutigen Zeit spielen diese Haltungen eine eher untergeordnete Rolle. Führung ist vielschichtiger geworden und die Anforderungen an die Führungskräfte von heute sowie morgen werden weiter wachsen. Im Alltagsgebrauch wird immer wieder von verschiedenen Führungsstilen gesprochen. Es lassen sich drei Phasen der Entwicklung von Führungsstilen beschreiben und es ist zu beobachten, dass sich eine vierte Stufe anschließt.

Ein neuer Führungsstil ist im Vormarsch

Die Entwicklung des Führungsstils

Führung ist ein komplexer Vorgang und die Führungsstile entwickeln sich stetig weiter. Kurt Lewin war einer der ersten Wissenschaftler, der verschiedene Führungsstile darstellte:

  • Autoritäre Führung
  • Demokratische Führung
  • Laisser-faire-Führung oder Laissez-faire-Führung

In der heutigen Zeit spielen diese Haltungen eine eher untergeordnete Rolle. Führung ist vielschichtiger geworden und die Anforderungen an die Führungskräfte von heute sowie morgen werden weiter wachsen. Im Alltagsgebrauch wird immer wieder von verschiedenen Führungsstilen gesprochen. Es lassen sich drei Phasen der Entwicklung von Führungsstilen beschreiben und es ist zu beobachten, dass sich eine vierte Stufe anschließt.

Die Phasen der Führungsstile

Stufe 1: Die natürlichen Führungsstile

Menschen zu führen war eine angeborene Eigenschaft. Entweder man konnte es oder eben nicht. Somit war die Führung für jeden Menschen sicht- und spürbar, der im direkten Kontakt mit der Führungskraft stand.

Es wurde nicht bewusst über Führungseigenschaften nachgedacht, sondern steuerte und leitete Menschen nach bestem Gewissen und eigenem Gefühlszustand. Man führte wie man sich fühlte, die Persönlichkeit war der Führungsstil. Aus diesem Grund kann von dem natürlichen Führungsstil gesprochen werden. Auch heute ist dieser aktuell und jedem steht es frei zu entscheiden, inwieweit dieser Stil den Umgang miteinander prägt.

Stufe 2: Die angepassten Führungsstile

Die Komplexität der Unternehmen verlangte neue Formen der Führung. Sie wurde zur Aufgabe, zur Rolle, zur Funktion. Es konnte deutlich beobachtet werden, dass sich Führungskräfte vor allem in großen Unternehmen unterschiedlich verhielten, obwohl sie ähnliche Funktionen sowie Aufgaben vertraten. In dieser Zeit gab es eine regelrechte Explosion von zahlreichen Führungsstilen, wie beispielsweise der autoritäre, patriarchalische, dienende, kooperative oder charismatische. Zahlreiche andere schließen sich an.

Diese verschiedenen Führungsstile lassen sich neu gruppieren und unterscheiden sich hinsichtlich der Eigenschaften der Person. Somit orientieren sich einige an den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen oder lassen sich wiederum aus den unternehmerischen Anforderungen und Verantwortlichkeiten ableiten. Rasch wird klar, dass Führungskräfte mit dem einseitigen Führungsstil an ihre Grenzen kommen, sobald sich das Umfeld, sei es Mitarbeiter:innen, Aufgabe oder der organisatorische Rahmen verändert. Das Ergebnis ist die Entstehung der dritten Phase, geprägt durch die Arbeiten von Hersey und Blanchard, die situativen Führungsstile.

Stufe 3: Die situativen Führungsstile

Folgerichtig konnte nur ein Führungsstil erfolgreich sein, einer der sich anpasst. Dieser Stil muss sich flexibel auf den Reifegrad der Mitarbeitenden, auf die unterschiedlichen Herausforderungen von Aufgaben und/oder auf die Eigenschaften wechselnder Kulturen einstellen. Der situative Führungsstil wird gefordert und gefördert. Dieser ist Bestandteil von Führungsseminaren und generell Themen, die die Führungskräfteentwicklung betreffen, und wird stetig weiter ergänzt durch neue Erkenntnisse.

Ist die Zeit reif für einen neuen Führungsstil?

Es stellt sich die Frage: Ist ein neuer Führungsstil überhaupt notwendig? Warum reicht der situative nicht aus?

Eine Betrachtung der Veränderungsgeschwindigkeit kann diese Fragen beantworten. Hershey und Blanchard entwickelten ihr Konzept des situativen Führungsstils in den sechziger Jahren. Zu dieser Zeit war die Digitalisierung, die Internationalisierung oder gar der demografische Wandel in weiter Ferne. Heutzutage ändern sich die Herausforderungen, mit denen Führungskräfte konfrontiert werden, rasant. Es entstehen neue Organisationsformen, Anforderungen der Mitarbeiter:innen ändern sich, Aufgabentypen und Prozesse entwickeln sich weiter. Somit ist der Ruf nach einem Führungsstil, der sich auf diese Veränderungen einstellen kann, unüberhörbar. Die V.U.C.A.-World (Volatility (Unberechenbarkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Ambivalenz)) benötigt Konzepte, um sie zu steuern und um in dieser Welt erfolgreich zu sein.

Grafik evolutionäre Führung

Stufe 4: Die evolutionäre Führung

Ein Führungsstil, der sich rasch den neuen Gegebenheiten anpasst und in der V.U.C.A.-World bestehen kann, wird notwendig sein. Dieser sollte rasch auf Veränderungen durch Selbstorganisation reagieren. Jedoch sind weitere Funktionen bedeutsam und folgende Themen durch den neuen Führungsstil zu beleuchten: Kann er die Überforderung der Führungskräfte eindämmen? Stellt er sich auf die Diversität der Mitarbeitenden ein? Befähigt er, unabhängig vom Reifegrad der Mitarbeiter:innen, einen Austausch auf Augenhöhe zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden? Kann er die Erwartungen und den stetig steigenden Ansprüchen der Mitarbeiter:innen gerecht werden?

Der situative Führungsstil ist anspruchsvoll und Führungskräfte sind auch nur Menschen, die mitunter durch den Anspruch der situativen Führung überfordert sind. Man hat hohe Führungs-Ambitionen, wird diesen jedoch nicht immer gerecht.

Festzuhalten ist, dass Menschen gerne geführt werden, dadurch werden die Bedürfnisse nach Sicherheit, Orientierung und Entwicklung abgedeckt. Auf der anderen Seite steigt der Anspruch, auf Augenhöhe zu kommunizieren, partnerschaftlicher Austausch wird gefordert. Führung wird gewünscht, aber welche?

Führungskraft und Mitarbeiter:in – eine gemeinsame Führung – Was muss der neue Führungsstil leisten?

Die Führungskraft benötigt Unterstützung im Umgang mit den vielseitigen Forderungen, Ansprüchen und Bedürfnissen. Hilfe bekommt sie durch das Studium von Fachliteratur oder dem Besuch von Trainings sowie Seminaren und durch Coachings. Diese Maßnahmen leisten einen Beitrag für den Umgang mit der Vielseitigkeit. Aber am wichtigsten in diesem Kontext ist eine Person – der:die Mitarbeiter:in! Nur die angestellte Person kann der Führungskraft mitteilen, was sie braucht und was sie will. Aus dieser Situation leitet sich der neue Führungsstil ab. Im kontinuierlichen Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in entstehen immer wieder neue Konstellationen hinsichtlich der Bedürfnisse und Anforderungen. Somit muss der neue Stil sich immer wieder anpassen, eine neue Form finden, und entsteht aus dem Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in.

Dieses Prinzip erinnert an die Evolution und beschreibt die ständige Anpassung. Es ist mit Abstand die erfolgreichste Methode des Universums. Überträgt man es auf den Bereich Führung, ist damit die Selektion von Werkzeugen, Tools, Regeln und deren Formen, Tabellen, Leitfäden usw. angedacht. Diese Werkzeuge werden ausprobiert und das Beste für die eigene Führungstätigkeit genutzt. Daraus lassen sich kontinuierlich neue Varianten ableiten, die sich als effektiver herausstellen und besser zu den neuen Gegebenheiten passen. Durch diese Schritte entwickelt sich das Führungssystem weiter, oder besser gesagt, es gleicht sich immer wieder an. Die neuen Führungsverhaltensweisen müssen sich im Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in bewähren und falls nötig, weiter ausgebaut, erneuert werden. Voraussetzung für diese Art von Führung ist, dass sie als Führungskraft Investitionen tätigen. Damit ist vor allem Zeit gemeint, die notwendig ist, diesen evolutionären Führungsstil zu leben.

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Über den:die Autor:in

Ulrich Grannemann

Senior Consultant, Diplom Kaufmann, Unternehmer, Führungstrainer und Berater. Geschäftsführender Gesellschafter einer Unternehmensberatung und Herausgeber einer Wissensplattform für den Themenschwerpunkt Mitarbeiterführung. Publizist, Redner und Autor zum Thema Führung.

Über den:die Autor:in

Sandra Schönborn

Senior Consultant Leadership der Haufe Akademie.

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