Über aktuelle Storytelling-Trends im Business

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Storytelling ist ein wunderbares Tool, das wir nutzen können, um bestimmte Assoziationen oder Stimmungen bei Gesprächspartner:innen hervorzurufen oder zu beeinflussen. Storytelling verknüpft Fakten und Botschaften mit Geschichten, die tief in uns verwurzelt sind, sogenannten Archetypen. Wenn wir es schaffen, diese „Ur-Geschichten“ packend zu erzählen, dann hört man uns zu. Sie docken bei den Emotionen der Zuhörer:innen an.

Im Interview mit Coachin und Storytelling-Expertin Daniela Dihsmaier

Welche archetypischen Geschichten gibt es beim Storytelling?

Es gibt sieben gängige Archetypen, die wir in der Heldenreise wie auch in fast allen anderen Plots des Erzählens finden. Da wir aktuell in LinkedIn Beiträgen beinahe ausschließlich Storytelling als Stilmittel beobachten können, nenne ich dazu typische, aktuelle LinkedIn Plots als Beispiele:

1. Überwindung des Monsters: Das Gute kämpft gegen das Böse – es geht um die Bedrohung von inneren Dämonen oder von Schurken. Auf LinkedIn lässt sich dieses Phänomen aktuell folgendermaßen beobachten: Diejenigen, die den Algorithmus zu nutzen wissen, legen gezielt ansprechende Portraitfotos unter ihre Texte. Dieser Gruppe wird von anderen Mitgliedern vorgeworfen, damit LinkedIn „kaputt zu machen“, da es eigentlich auf hochwertige Inhalte statt auf Optik ankäme. Für etwas einzutreten, das wir für gut oder richtig halten, bietet beinahe immer Potenzial für eine gute Story. Kaum verwunderlich also, dass dieser „gut gegen böse“ Plot sich derzeit großer Beliebtheit auf LinkedIn erfreut. Hinzu kommt, dass wir uns nach weniger Komplexität sehnen: Wir wünschen uns Klarheit und eine Vereinfachung des Lebens – genau das kann „gut gegen böse“.

2. Der Underdog steigt auf – Vom Tellerwäscher zum Millionär: Dieser Plot zeigt einen Charakter, der sich im Laufe der Geschichte etwas aufbaut. Dieser Archetypus trifft eine tiefe Sehnsucht in uns. Auf LinkedIn liest man etwa: „Bei den Absagen auf meine etlichen Bewerbungen ließ sich fast immer aus dem Kontext schließen, man hielte mich für zu jung und zu unerfahren, um eine Abteilung zu leiten. Heute, nur ein Jahr später, leite ich ein marktführendes Unternehmen.“

3. Die Mission: Die Heldenfigur hat einen Auftrag, auch wenn sie sich anfänglich wehrt, sie ist auserwählt. Wir kennen diesen Plot u.a. aus „Matrix oder „Herr der Ringe“. Auf LinkedIn sehen solche Plots zum Beispiel so aus: „Ich fahre seit vielen Monaten geschäftlich nur noch Zug und fliege nicht mehr, mein Auto habe ich verkauft. Hier meine wichtigsten Learnings dazu….“

4. Reise und Rückkehr: Dieser Archetypus zeigt einen Charakter, der im Laufe der Geschichte seine gewohnte Welt verlassen muss und daran wächst, wie z.B. bei „Cast away“ oder „Alice im Wunderland“. Entsprechende Plots auf LinkedIn lauten etwa so: „Vor etwa 15 Jahren hatte ich ein unbewusstes Hobby: Führungskräftebashing. Organisationssoziologisch ist das sehr naiv, wie mir heute bewusst ist.“

5. Die Liebesgeschichte: Dieser Archetypus zeigt die Beziehung zwischen zwei Charakteren, die sich lieben und es in Form einer Komödie häufig als letztes selbst erkennen. Dieser Archetypus ist in vielen Romanen, Filmen und Theaterstücken zu finden. Auf LinkedIn lässt sich diese Konstellation hin und wieder beobachten, wenn sich ein Paar oder auch ein Team, das gut kooperiert, öffentlich für die gemeinsam gemeisterte Herausforderung bedankt.

6. Tragödie: Unaufhaltsam kann man der:dem Helden:in bei ihrem:seinem Unglück zusehen. Aktuell war das auf LinkedIn sehr eindrücklich am Beispiel der letzten Tage im Amt der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zu sehen. Ihr Scheitern wurde beinahe genüsslich vorgeführt.

7. Wiedergeburt: Rückkehr aus dem Schatten. Was wäre Hollywood ohne die Wiedergeburt? Sie ermöglicht Fortsetzungen wie etwa in „Alien“ oder „Star Wars“ (Darth Vader). Auf LinkedIn klingen Plots dann etwa so: „Ich wollte keine Führungskraft mehr sein. Dafür musste ich allerdings kündigen. Was darauf folgte….ich würde es nicht wiederholen, es hat mir aber dennoch geholfen, herauszufinden, wer ich bin und was ich will.“

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Wo geht Ihrer Meinung nach der Trend im Storytelling im Business Bereich hin?

Es gibt zwei Perspektiven für den Trend: Die der Zielgruppe und die des Erzählenden.

Mit einem Blick auf die:den Erzähler:in in Social Media: Wir haben mittlerweile die Macht von Storytelling erkannt: Es zieht uns schnell in den Bann und berührt und bewegt Leser:innen. Dabei ist es egal, ob die Story positive oder negative Emotionen in uns auslöst. Beide Varianten motivieren uns zum Weiterlesen und bieten Autor:innen gute Chancen, gesehen zu werden und einen Diskurs zu erreichen. Worüber wir uns stets im Klaren sein sollten: Der Algorithmus wird maßgeblich von uns selbst mitgeprägt. Er misst nicht nur, was wir lesen, wem wir folgen und was wir liken, sondern auch wo wir länger innehalten. Neben dem Storytelling gibt es weitere Aufmerksamkeits-Catcher: Fotos zählten auch schon immer dazu, sie erzählen ihre eigene Geschichte. In Kombi mit persönlichem Storytelling gerade sehr beliebt. Doch es gibt schon immer auch andere Mittel, um schnell viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Es geschah jedoch unbewusster für die Community oder wurde weniger stark hinterfragt. Menschen, die in einer machtvollen Position waren oder eine hohe soziale Vernetzung z.B. jobbedingt aufweisen, hatten schon immer einen Vorteil. Denn wer eine gewisse Zahl an Menschen erreicht, die ein Like geben, erhält on top noch mehr Likes. Unser Schneeballsystem funktioniert so: Was andere gut finden, schauen wir auch eher an und die Hürde für ein Link oder ein Kommentar sinkt, wenn Menschen zuvor dies auch taten. Eine wirkliche Demokratie gab es und gibt es also in Social Media nicht. Und Autor:innen suchen darin ihren Weg – je nach Ausgangslage.

Auf Leserseite hingegen entsteht eine zunehmende Sättigung: Die neue Vielzahl an ich-bezogenen Stories ermüdet allmählich. Ebenso der eskalierende Plot „gut gegen böse“. Er funktioniert so gut wie immer und wird dadurch zunehmend durchschaubarer – sowohl in seiner Funktionalität aber leider auch seiner Banalität. Zwar wächst einerseits unser Wunsch nach Reduktion von Komplexität. Zugleich merken wir als Leser:innen gerade, wie unbefriedigend es sein kann, all diese simplen Botschaften tagein tagaus zu lesen.

Daher halte ich folgende Trends des Storytellings in Social Media für möglich:

1. Eine  Folge dieser Sättigungs-Entwicklung kann sein, dass Storytelling wieder weniger inflationär, dafür pointiert eingesetzt wird. Fakten wieder mehr Relevanz bekommen.

2. Ein anderer Weg kann die Akzeptanz der Vielfalt sein, denn unsere Medienwelt ist vielfältig. So können sich Bild und Text unterhaltsam und klug ergänzen, manchmal auch banal sein oder sich streng fokussieren auf das Wesentliche in schwarz-weiß. Alles davon hat seine Zielgruppe und die Frage ist, was und wen will ich als Erzähler:in erreichen?

3. Des Weiteren braucht es auch auf Leserseite ein Verbessern der eigenen Social Media Kompetenz – schon aus Gründen der mentalen Gesundheit. Und auch ein Verstehen der archetypischen Plots. Wenn ich durchschaue, welche Schublade da gerade in mir gezogen wird, kann ich eher dem Impuls widerstehen, jedem noch so banalen Plot auf den Leim zu gehen. So werden wir auch lernen mit Social Media umzugehen: Weniger das Beschuldigen der anderen oder des Algorithmus hin zu mehr Selbstverantwortung.

Fazit: Storytelling ist etwas Zauberhaftes. Daher wünsche ich mir, dass wir die Magie darin wiederfinden, statt die Mechanismen der archetypischen Plots zu missbrauchen. Storytelling nutzt sich ab, wenn es nicht dezent zum Einsatz kommt. Wer unzufrieden mit dem aktuellen Storytelling in Social Media ist, braucht vor allem Mut, selbst zur weiteren Entwicklung beizutragen. Dazu muss ich als Leser:in allerdings gewillt sein, mir eine eigene Meinung, unabhängig jeglicher Likes und Kommentare zu bilden. So fällt es auch leichter, weniger impulsiv auf typische Storymechanismen zu reagieren. Zudem ist es hilfreich, die eigenen Muster zu hinterfragen: Würde ich diese Story auch liken, wenn diese Person nicht attraktiv wäre? Würde ich dieser Story auch zustimmen, wenn diese Person nicht so einflussreich wäre? Denken Sie immer daran: Sie haben mehr Macht, als Ihnen womöglich bewusst ist.

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Über den:die Autor:in

Daniela Dihsmaier

arbeitet mit Menschen an Führung, mentaler Stärke und gesunder Leistungsfähigkeit. Mit Coaching und Keynotes unterstützt sie Athleten und Leistungsträger in Wirtschaft, Politik und juristischen Ämtern, auch als Executive Coach. Sie gewann mehrere Kurzgeschichten Preise und schrieb ein Buch zu mentalen Themen.

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