Verhandlungen sind ein fester Bestandteil des Geschäftsalltags. Ob du als Einkäufer:in über Konditionen mit Lieferanten sprichst, im Projektmanagement Ressourcen koordinierst oder als Führungskraft Personalgespräche führst: die Fähigkeit, Interessen auszugleichen und tragfähige Vereinbarungen zu treffen, entscheidet oft über den Erfolg.
Das Harvard-Konzept ist eine der bekanntesten Methoden, um in solchen Situationen strukturiert, fair und lösungsorientiert vorzugehen. Es gibt dir einen klaren Rahmen, um auch bei schwierigen Themen souverän zu bleiben.
Was steckt hinter dem Harvard-Konzept?
Das Harvard-Konzept, oft auch Harvard-Methode, Harvard-Prinzip oder Harvard-Modell genannt, wurde in den 1980er-Jahren von den Rechtswissenschaftlern Roger Fisher und William Ury am Harvard Negotiation Project entwickelt. In ihrem Bestseller „Getting to Yes“ (dt. „Das Harvard-Konzept“) beschrieben sie erstmals diese Methode. Es entstand aus der Beobachtung, dass klassische Verhandlungen häufig in endlosen Positionskämpfen steckenbleiben.
Die Grundidee: Statt dich in einer Verhandlung nur auf deine Forderung zu versteifen, konzentrierst du dich auf die dahinterliegenden Interessen – bei dir selbst und bei der Gegenseite. Damit veränderst du die gesamte Dynamik. Du gehst weg vom „Wer setzt sich durch?“ hin zu „Welche Lösung erfüllt die wichtigsten Ziele aller Beteiligten?“.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Trennung von Sachebene und Beziehungsebene. Du kannst hart in der Sache argumentieren, ohne die persönliche Verbindung zu belasten. Das sorgt dafür, dass Gespräche selbst bei strittigen Themen konstruktiv bleiben.
Die vier Prinzipien des Harvard-Konzepts
Das Fundament des Harvard-Verhandlungskonzepts bilden vier klare Prinzipien, die sich in nahezu jeder Verhandlung anwenden lassen.
- Mensch und Problem getrennt behandeln:
Persönliche Angriffe oder verletzende Formulierungen führen fast immer zu Abwehrreaktionen. Trenne daher bewusst zwischen der Person und dem Sachthema. Das heißt nicht, dass Emotionen ignoriert werden sollen, sondern dass sie als Teil der Beziehungsebene behandelt werden. So bleibt die Kommunikation offen und lösungsorientiert. - Interessen statt Positionen in den Mittelpunkt stellen:
Eine Position ist das, was jemand fordert. Ein Interesse ist der Grund, warum er oder sie es fordert. Indem du im Rahmen des Harvard-Konzepts gezielt nach den Interessen fragst, erkennst du oft ganz neue Lösungswege. Beispiel: Eine Abteilung fordert mehr Budget. Das Interesse dahinter könnte sein, die Projektqualität zu sichern. Das lässt sich vielleicht auch durch interne Unterstützung statt durch zusätzliches Geld erreichen. - Mehrere Handlungsoptionen entwickeln:
Statt dich zu Beginn auf eine einzige Lösung zu fixieren, ist es hilfreich, mehrere Optionen zu erarbeiten. So entsteht ein kreativer Lösungsraum, der die Wahrscheinlichkeit einer Einigung deutlich erhöht. Die Ideen sollten zunächst ohne Bewertung gesammelt werden, damit keine potenziell gute Option vorschnell verworfen wird. - Objektive Kriterien anwenden:
Entscheidungen wirken fairer, wenn sie auf nachvollziehbaren Standards beruhen. Das können Marktpreise, technische Normen, juristische Rahmenbedingungen oder historische Vergleichsdaten sein. Solche objektiven Kriterien reduzieren emotionale Auseinandersetzungen und erhöhen die Akzeptanz des Ergebnisses.
Ergänzend zu diesen vier Prinzipien ist es sinnvoll, die eigene BATNA (Best Alternative to a Negotiated Agreement) zu kennen – die beste Alternative zu einer Verhandlungseinigung. Sie gibt dir Sicherheit, weil du weißt, welche Option dir bleibt, falls die Verhandlung scheitern sollte.
Unsere Empfehlung
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In diesem Training lernst du, Verhandlungen effektiv vorzubereiten und durchzuführen, deine Verhandlungsmacht zu stärken und Ziele zu erreichen. Praxisübungen, Analysegespräche und individuelles Coaching vertiefen deine Kompetenz.
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Warum das Harvard-Konzept für Unternehmen sinnvoll ist
Unternehmen verhandeln ständig, intern wie extern. Dabei entstehen immer wieder komplexe Situationen, in denen unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. Das Harvard-Verhandlungsmodell gibt dir eine klare Struktur, um solche Gespräche effizient zu führen und stabile Ergebnisse zu erzielen.
Es hilft dir,
- Konflikte zu entschärfen, bevor sie eskalieren
- die Beziehung zu wichtigen Partner:innen zu erhalten
- bessere, tragfähige Vereinbarungen zu treffen
- unnötige Kompromisse zu vermeiden, die niemandem wirklich helfen
Gerade in langfristigen Geschäftsbeziehungen, etwa mit Lieferanten, strategischen Partnern oder Mitarbeitenden, zahlt sich diese Vorgehensweise aus, weil Vertrauen und Kooperation wachsen.
Typische Problemfälle und wie das Harvard-Konzept hilft
Das Harvard-Konzept ist flexibel einsetzbar. Hier einige typische Unternehmenssituationen, in denen die Methode ihre Stärken zeigt:
Verhandlungen im Einkauf
Preisverhandlungen mit Lieferanten verlaufen oft nach dem Schema „Höchstforderung gegen Minimalangebot“. Dabei bleiben viele Möglichkeiten ungenutzt. Das Harvard-Prinzip fordert dich auf, die Interessen beider Seiten zu klären.
Dein Ziel im Einkauf könnte sein, Kosten zu reduzieren. Das Ziel des Lieferanten könnte Planungssicherheit sein. Daraus ergeben sich neue Ansätze wie Mengenrabatte bei längerer Vertragsbindung oder gemeinsame Prozessoptimierungen zur Kostensenkung. Objektive Kriterien wie aktuelle Marktpreise oder Branchenstatistiken können helfen, den Rahmen für faire Angebote zu setzen.
Konflikte zwischen Abteilungen
Wenn zwei Abteilungen um begrenzte Ressourcen konkurrieren, entstehen schnell Spannungen. Das Harvard-Konzept lenkt den Blick auf gemeinsame Ziele, zum Beispiel die erfolgreiche Umsetzung eines Projekts oder die Kundenzufriedenheit. Durch offenes Ansprechen der Interessen lassen sich Synergieeffekte identifizieren, die beiden Seiten helfen. Gemeinsame Budgets oder geteilte Ressourcen können hier eine Lösung sein – abgesichert durch transparente Kriterien für die Verteilung.
Mitarbeiter- und Gehaltsgespräche
In Gehaltsverhandlungen prallen oft starre Positionen aufeinander. Mit dem Harvard-Ansatz gehst du den nächsten Schritt und fragst: Warum ist dem oder der Mitarbeitenden eine Erhöhung wichtig? Geht es um Anerkennung, Lebenshaltungskosten oder Entwicklungsmöglichkeiten?
Anhand dieser Informationen lassen sich alternative Angebote erarbeiten, etwa zusätzliche Urlaubstage, flexible Arbeitszeiten, Fortbildungen oder neue Verantwortungsbereiche. So bleibt die Verhandlung konstruktiv und beide Seiten können mit dem Ergebnis zufrieden sein.
Best Practices für die Umsetzung im Alltag
Damit das Harvard-Konzept seine volle Wirkung entfaltet, solltest du dich gut vorbereiten und bewusst auf die Gesprächsführung achten:
- Gründliche Vorbereitung: Analysiere deine eigenen Interessen und die der Gegenseite. Überlege dir vorab deine BATNA und sammele relevante Informationen.
- Klare Kommunikation: Stelle offene Fragen, höre aktiv zu und fasse Gesagtes zusammen. Das zeigt Interesse und verhindert Missverständnisse.
- Gemeinsame Lösungsentwicklung: Leite einen offenen Ideenfindungsprozess an, ohne sofort zu bewerten. Halte den Fokus auf den Interessen.
- Nachbereitung: Dokumentiere die Ergebnisse, kläre offene Punkte und pflege die Beziehung zur anderen Partei.
Grenzen der Havard-Methode
Das Harvard-Verhandlungskonzept ist kein Allheilmittel. Es stößt an Grenzen, wenn eine Partei nicht bereit ist, offen zu kommunizieren oder wenn starke Machtunterschiede bestehen. Auch fehlende Transparenz über die wahren Interessen kann den Prozess erschweren. Trotzdem bietet es in den meisten Fällen eine deutlich bessere Grundlage als reine Positionsverhandlungen.
Dein nächster Schritt: Harvard-Konzept im Einkauf einsetzen
Das Harvard-Konzept ist ein Werkzeugkasten für klare, respektvolle und ergebnisorientierte Verhandlungen. Ob bei Preisgesprächen, Vertragsverhandlungen oder in herausfordernden Situationen, vor allem im Einkauf kann diese Methode den entscheidenden Unterschied machen.
FAQ
Was ist das Ziel des Harvard-Konzepts?
Das Ziel ist es, Verhandlungen so zu führen, dass tragfähige Ergebnisse entstehen, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Dabei stehen die Interessen der Parteien im Vordergrund, nicht starre Positionen.
Wann ist das Harvard-Konzept besonders hilfreich?
Es eignet sich vor allem bei komplexen Verhandlungen, in denen langfristige Beziehungen wichtig sind. Beispiele sind Lieferantenverhandlungen, interne Ressourcenkonflikte oder Mitarbeitergespräche.
Wie unterscheidet sich das Harvard-Konzept von klassischen Verhandlungen?
Klassische Verhandlungen basieren oft auf Gegensätzen und Kompromissen. Das Harvard-Konzept setzt auf Interessenorientierung, objektive Kriterien und kreative Lösungsoptionen.
Kann ich das Harvard-Konzept auch in kurzen Verhandlungssituationen nutzen?
Ja. Auch in kurzen Gesprächen lassen sich die Prinzipien anwenden, zum Beispiel durch gezieltes Nachfragen nach Interessen oder die Nutzung objektiver Kriterien.