Zum Inhalt springen

Zwischen Stabilität und Agilität: Führen in der Krise

0

Waldbrände, Hitzewellen, Klimawandel, Ukrainekrieg, Pandemie und Rezession: Krisen gab es schon immer. Doch ihre Häufigkeit hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen. So sehr, dass wir inzwischen von einer „Permakrise“ sprechen. Diese Permakrise konfrontiert Führungskräfte mit einer Vielzahl widersprüchlicher Anforderungen: Sie müssen Stabilität sichern und zugleich agil bleiben, Sicherheit bieten und gleichzeitig Wandel ermöglichen, kurzfristig reagieren und langfristig denken. Diese Spannungsfelder sind zur neuen Normalität geworden. Doch die gute Nachricht ist: Mit dem richtigen Leadership Mindset lassen sich diese Herausforderungen meistern.

Hallo Permakrise: Wenn Krisen zur neuen Realität werden

Krisen, Krisen, überall. Was früher als Ausnahmezustand galt, ist heute Betriebsalltag: seit der Pandemie sind internationale Lieferketten deutlich instabiler, geopolitische Konflikte eskalieren, Fachkräfte fehlen und künstliche Intelligenzen krempeln ganze Branchen um. Die alten VUCA-Parameter (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) wirken fast nostalgisch angesichts der neuen BANI-Realität: brüchig, ängstlich, nichtlinear und unverständlich.

„Seit über einem Jahrhundert hat Europa zahlreiche folgenschwere Krisen durchgestanden. Doch in den letzten Jahren hat die Häufigkeit der Krisen zugenommen – einschließlich jener, die mit dem Klimawandel und neu auftretenden, sich in unserer vernetzten Welt immer schneller ausbreitenden Infektionskrankheiten in Zusammenhang stehen.“¹

Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa

Führungskräfte stehen „zwischen den Stühlen“ und müssen sich in zahlreichen Spannungsfeldern zurechtfinden: Stabilität versus Agilität, Kontrolle versus Empowerment, kurzfristige Ergebnisse versus langfristige Wertschöpfung. Kurzum: Die Permakrise ist multipolar. Um durch die Summe der Krisen zu navigieren – seien das nun Pandemien, politische Spannungen, künstliche Intelligenzen oder die fehlenden Fachkräfte – brauchen Führungskräfte ein „Paradox Mindset“. Das ist die Fähigkeit, mit den durch die Krisen entstandenen Widersprüchen nicht nur zu leben, sondern sie auch aktiv zu nutzen – für die Organisation, aber auch für die Menschen darin.

Die gute Nachricht: Diese Fähigkeit ist erlernbar. Und sie zahlt sich aus. So zeigt auch der Human Capital Trends Report von Deloitte, dass Unternehmen, deren Führungskräfte die neuen Spannungsfelder der Permakrise erfolgreich navigieren, mit 1,8-mal höherer Wahrscheinlichkeit finanziell überdurchschnittlich abschneiden.

„Navigating the tensions between these polarities means having the courage to make choices without the certainty of their outcomes.“²

(Sich in diesen Spannungsfeldern zurechtzufinden, bedeutet, den Mut zu haben, Entscheidungen zu treffen, ohne sich ihrer Ergebnisse sicher sein zu können.)

Niki Rose, Workforce and Capability Executive bei Telstra

Der neue Führungs-Kodex: Was die Permakrise von Führungskräften fordert

Doch wie sieht dieses „Paradox Mindset“ konkret aus? Welche Fähigkeiten brauchen Führungskräfte, um sowohl Menschen als auch Organisationen in unsicheren Zeiten voranzubringen – emotional wie auch wirtschaftlich?

Emotional stark führen

Einer der wichtigsten Aspekte ist die emotional starke Führung. Dabei geht es nicht nur darum, die Emotionen der Mitarbeitenden zu sehen und anzuerkennen, sondern viel eher darum, die eigenen Gefühle zu reflektieren und zu steuern. Im Krisenkontext bedeutet das, mit Gefühlen von Unsicherheit, Stress und vielleicht auch Angst konstruktiv umzugehen und als Vorbild voranzugehen. Wer emotional stabil wirkt, schafft Vertrauen und Zuversicht auch in schwierigen Zeiten. Diese Form der emotionalen Stabilität bei Führungskräften ist keineswegs mit emotionaler Kälte oder Unempfindlichkeit gleichzusetzen. Viel eher geht es darum, auch die eigenen Gefühle wahrzunehmen und einzuordnen, um im Umkehrschluss authentisch und empathisch führen zu können.

Unsere Empfehlung

Leadership-Persönlichkeit für herausfordernde Zeiten

Du stehst als Führungskraft immer wieder in herausfordernden Spannungsfeldern – besonders in Krisenzeiten, wenn sich Aufgaben, Führungsbeziehungen und Organisationsstrukturen verändern. Dieses praxisnahe Online-Format hilft dir, Unsicherheiten besser zu navigieren und klare Entscheidungen zu treffen. Mit der INSIGHTS-Potenzialanalyse, individuellem Coaching und aktuellen E-Learnings stärkst du deine Leadership-Persönlichkeit und gewinnst neue Handlungssicherheit.


Blended Learning: Leadership-Persönlichkeit für herausfordernde Zeiten

Schnelle Entscheidungen trotz dünner Datenlage

Ein Cyberangriff legt die eigene Organisation über Nacht lahm. Der Morgen? Ein Albtraum. Innerhalb weniger Minuten muss das Management entscheiden: System lahmlegen und Umsätze einbüßen oder weiterlaufen lassen und Umsätze sichern, dafür aber größere Risiken in Kauf nehmen? Das Management-Team entscheidet sich für einen sofortigen Shutdown. Keine leichte Entscheidung, sind solche schwerwiegenden Entscheidungen meist länger überlegt und durchdacht. Doch in der Krise bleibt oft keine Zeit. Entscheidungen müssen innerhalb kürzester Zeit und auf dünner Datenbasis getroffen werden. Der Human Capital Trends Report beschreibt diese Führungsfähigkeit als „decisive amid uncertainty“ – und trifft damit den Kern: In der Permakrise gilt es, die Balance zwischen schnellen und durchdachten Entscheidungen zu finden – für einen positiven Outcome für alle.

Transparente Kommunikation ist das A und O

Es klingt wie ein alter Hut, aber gerade in Krisenzeiten ist Kommunikation das A und O. Eine gute, transparente Kommunikation baut Vertrauen auf und reduziert Ängste im Team. Mitarbeitende lernen, ihrer Führungskraft zu vertrauen, wenn diese regelmäßig informiert, eigene Fehler eingesteht und eine Kultur der Offenheit pflegt.

Empathische Führung zeigt echtes Interesse an Bedürfnissen und Sorgen

Beim „human-centered leadership“ geht es darum, wie Führungskräfte mittels Empathie und einem starken Fokus auf den Menschen Loyalität und Motivation im Team generieren. Wer als Führungskraft zuhört, nachfragt und unterstützt, schafft selbst in der Permakrise ein Gefühl von Sicherheit – und holt die Menschen dort ab, wo sie gerade stehen. Das stärkt nicht nur die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels, sondern auch deren Motivation – für einen höheren Output trotz Krise.

AI als besondere Herausforderung

Neue Technologien haben die Menschen schon immer vor neue Herausforderungen gestellt. Doch noch nie hat eine Technologie neben initialer Aufregung so viel Unsicherheit generiert. „Wird mein Job durch KI ersetzt?“, „Wie soll ich überhaupt mit KI umgehen?“ und „Was bringt das alles überhaupt?“. Die Bedenken – und Sorgen – von Mitarbeitenden sind groß. Es liegt an den Führungskräften, Vertrauen in die neuen Technologien zu vermitteln. Sie agieren als Brücke zwischen Mensch und Maschine, machen die Technologie verständlich und bauen Ängste ab.

Exkurs: Führungskräfte berichten von Erschöpfung

Die Anforderungen an Führungskräfte in der Permakrise sind so hoch wie nie! Darunter leidet auch die Gesundheit. So berichten zahlreiche Führungskräfte im Human Capital Trends Report von Entscheidungsmüdigkeit und Erschöpfung. Das National Bureau of Economic Research hat beispielsweise herausgefunden, dass Stressphasen die Lebenserwartung von CEOs um 1,5 Jahre verkürzen können.³ Daher ist es wichtig, mittels Delegation, Achtsamkeit und klarer Priorisierung „nachhaltig“ zu führen, um die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit als Führungskraft zu erhalten.

Agil durch die Krise: Konkrete Tipps und Handlungsempfehlungen für Führungskräfte

In der Permakrise brauchen Führungskräfte mehr als klassische Management-Skills: Sie müssen Orientierung geben, Resilienz fördern, Ängste abbauen und gleichzeitig das Unternehmen voranbringen. Die folgenden sieben Tipps bieten praxisnahe Handlungsempfehlungen:

  1. Klare Kommunikation
    Kommuniziere regelmäßig, offen und klar, um Unsicherheit zu reduzieren. Teile auch unangenehme Wahrheiten transparent mit und sei offen für Rückfragen. Setze auf konsistente Botschaften.
  2. Menschenzentrierte Kennzahlen
    Nutze nicht nur klassische Kennzahlen, sondern ergänze diese durch menschzentrierte Metriken wie Mitarbeiterzufriedenheit oder Teamklima. Entwickle ein ausgewogenes Messsystem, das sowohl wirtschaftliche als auch menschliche Faktoren abbildet.
  3. Szenarien statt fester Ziele
    Setze auf flexible Zielsysteme wie OKRs und plane verschiedene Szenarien, statt dich auf starre Jahresziele zu beschränken. So kannst du schneller auf Veränderungen reagieren und bleibst als Führungskraft handlungsfähig – auch in der Krise.
  4. Aufbau von Krisenkompetenzen
    Trainiere den Ernstfall regelmäßig mit Simulationen und Krisenübungen. Baue feste Krisenteams und klare Notfallprotokolle auf, um im Ernstfall schnell und koordiniert agieren zu können.
  5. Stärkung von Resilienz im Team
    Fördere deine eigene und die mentale Widerstandskraft deines Teams durch Achtsamkeitsübungen, regelmäßige Pausen und klare Grenzen. Eine gesunde Work-Life-Balance ist Voraussetzung für nachhaltige Führungsstärke.
  6. Stakeholder miteinbeziehen
    Binde wichtige Stakeholder:innen aktiv in Entscheidungsprozesse ein, ohne dich in endlosen Abstimmungen zu verlieren. Höre dir verschiedene Perspektiven an, treffe aber letztlich entschlossen die nötigen Entscheidungen.
  7. Veränderungen als Chance sehen – auch in der Krise
    Verankere ein Growth Mindset im Team: Sehe Krisen nicht nur als Bedrohung, sondern als Chancen, neue Wege zu gehen.

Lichtblick in der Krise: Warum die Zukunft besser wird als wir denken

Waldbrände, Hitze, Klimawandel, Ukrainekrieg, Pandemien und Rezession: Werden die Krisen jemals ein Ende haben? Vermutlich nicht. Wir werden immer und immer wieder mit alten und neuen Krisen zu tun haben. Doch mit dem richtigen Leadership Mindset wird die Zukunft besser als wir denken.

„The core of what it means to be a leader remains what it has always been: working with and through others to create value greater than the sum of the parts—clarifying intention, marshalling resources, and overcoming obstacles as needed.“⁴

(Der Kern dessen, was es bedeutet eine Führungskraft zu sein, bleibt, was er schon immer war: mit und durch andere zu arbeiten, um einen Wert zu schaffen, der größer ist als die Summe seiner Teile. Dabei geht es darum, Absichten zu klären, Ressourcen zu bündeln, und Hindernisse zu überwinden.)

Human Capital Trends Report

Wenn Führungskräfte mutig Unsicherheiten annehmen, entschlossen handeln trotz dünner Datenlage, ihrem Team regelmäßig zuhören, es empathisch führen und eigene Fehler eingestehen – dann ist der Grundstein für gute Führung in der Krise gelegt. Denn der Anspruch ist nicht, „die perfekte Führungskraft“ zu sein. Der Anspruch ist, „die bestmögliche Führungskraft“ in der Krise zu sein. Denn Führung braucht jetzt Haltung und keine Perfektion!


¹ Kluge, Dr. Hans Henri P., 2022, https://www.who.int/europe/de/news/item/27-09-2022-statement-the-european-region-is-in-a-permacrisis-that-stretches-well-beyond-the-pandemic-climate-change-and-war.
² Deloitte, „Turning tensions into triumphs: Helping leaders transform uncertainty into opportunity”. https://www.deloitte.com/ca/en/services/consulting/research/turning-tensions-into-triumphs-helping-leaders-transform-uncertainty-into-opportunity.html.
³ Mark Borgschulte et al., 2021, “CEO stress, aging, and death”. https://www.econstor.eu/bitstream/10419/279064/1/dp16366.pdf.
⁴ Deloitte, „Turning tensions into triumphs: Helping leaders transform uncertainty into opportunity”. https://www.deloitte.com/ca/en/services/consulting/research/turning-tensions-into-triumphs-helping-leaders-transform-uncertainty-into-opportunity.html.

Teilen Sie den Beitrag auf:

Über den:die Autor:in

Online-Redaktion