Bau- und Werkvertragsrecht: Profi-Tipps

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Warum ist bau-/werksvertragliches Rechtswissen besonders für Mitarbeiter:innen aus Immobilienunternehmen, für Verwalter:innen und Facility Manager:innen, Betreuer:innen von Immobilienbeständen etc. wichtig?

Schilli: Baurechtliches Basiswissen ist ein Qualitätsmerkmal eines Immobilienunternehmens. Dies gilt sowohl für Erörterungen in der Eigentümerversammlung als auch bei Diskussionen mit Handwerkern. Das Bauvertragsrecht enthält an verschiedenen Stellen Fallstricke, insbesondere im Formalbereich, die gekannt werden müssen, um eine eigene Haftung zu vermeiden. Bei Kenntnis der Strukturen des Bauvertrags und des Nachtragsmanagements ist eine Diskussion jenseits des „Das haben wir schon immer so gemacht und den Preis brauche ich“ fundiert
möglich.

Besonders das Baurecht ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Es hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer kaum noch überschaubaren Spezialmaterie entwickelt. Warum?

Schilli: Beigetragen dazu hat sicherlich die langjährige schlechte wirtschaftliche Situation der Branche, die vielfach allein über Nachträge zu auskömmlichen Erträgen kam. Dies führte zu Diskussionen über geänderte Leistungen, Behinderungen, Richtigkeit von Nachträgen, die früher bei sehr auskömmlichen Margen nie Thema waren. Aus diesen Sachverhalten hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen  Entscheidungen dann ein sehr fein ausgestaltetes Baurecht entwickelt.

Sie haben schon sehr viele Erfahrungen bzgl. typischer Bauabläufe von Sanierungs-, Neu- und Umbauten gesammelt. Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die größten Gefahren, dass Bauabläufe nicht so laufen wie geplant? Welche Fallstricke sind aus Ihrer Erfahrung besonders tückisch? Können Sie einige Beispiele nennen?

Schilli: Das A und O ist, zunächst eine präzise Beschreibung der gewünschten Leistung einschließlich aller Schnittstellen zu schaffen. Je unpräziser die Grundlage, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu späteren Streitigkeiten kommt. Die Schaffung dieser Grundlage einschließlich der Festlegung, in welcher Tiefe einzelne Positionen ausgearbeitet werden müssen, muss durch eine geeignete Beraterin oder einen geeigneten Berater (also Architekt:in, Projektsteuerer) erfolgen, soweit diese Kenntnisse nicht selbst, wie eigentlich regelmäßig, vorhanden sind. Die Kostenberechnung muss während des Bauablaufs fortgeschrieben werden, um den Überblick über die Gesamtkosten stets zu behalten und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu lassen.
Der nicht finanzierte Nachtrag mit  erstmaliger Vorlage in der Schlussrechnung erzwingt vielfach den Bauprozess. Zuletzt sollten Immobilienunternehmen die Risiken nicht unterschätzen, die durch neue Baustandards entstehen, beispielsweise die Schimmelproblematiken nicht ausreichend belüfteter, aber exzellent gedämmter Gebäude.

Was ist besonders bei den „Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen“ (VOB/B) zu beachten? Welche Tipps können Sie unseren Leserinnen und Lesern geben?

Schilli: Hier gibt es eine wichtige und noch nicht beendete Diskussion in der Rechtsszene, welche Klauseln der VOB/B überhaupt noch in Musterverträgen verwendet werden dürfen. Vorzuziehen ist derzeit ein eigens erstellter Werkvertrag ohne Einbeziehung der VOB/B.

Welche Tipps empfehlen Sie, um Baumängeln vorzubeugen?

Schilli:

  • Definieren Sie präzise die gewünschte Leistung.
  • Suchen Sie Ihre Handwerkspartner sehr sorgfältig nach geeigneter Größe, einschlägiger Erfahrung aber auch örtlicher Erreichbarkeit aus.
  • Fragen Sie ruhig nach, wie im Einzelnen die Ausführung geplant wird.
  • Sollten Leistungen aufeinander auf bauen, klären Sie die Schnittstellen.

Sofern nicht über das einschlägige Fachwissen verfügt wird, sollte ein Fachmann zu Bauüberwachung hinzugezogen werden.

Was ist besonders wichtig, wenn Mängel eingetreten sind?

Schilli: Auf einer ersten Stufe müssen Sie klären, ob und in welcher Schwere ein Mangel vorliegt. Nirgendwo wird mehr dramatisiert als auf einer Baustelle. Nehmen Sie einen geeigneten Privatgutachter und lassen Sie diesen die Situation vor Ort begutachten, gerne auch aus Kostengründen nur mündlich. Sollte sich ein Mangel bewahrheiten, fordern Sie den Handwerker zur Nacherfüllung mit angemessener Fristsetzung auf.

Welche Hürden muss man meistern, wenn der letzte Ausweg die gerichtliche Durchsetzung ist? Was ist dabei besonders zu beachten?

Schilli: Zunächst muss Ihnen bewusst sein, dass ein Bauprozess regelmäßig Jahre dauert und überwiegend mit einem Vergleich endet. Deshalb sollte von Anfang an eine klare Strategie gefasst werden, ob und in welchem Umfang Mängel gerügt werden. Kleinere Mängel lohnen häufig den Streit nicht, da die Begutachtung des Mangels mehr kostet als die Mangelbehebung selbst. Dann ist zu  entscheiden, ob vorweg ein selbstständiges Beweisverfahren geführt werden soll, um die Klärung der Beweisthemen vorweg zu erreichen.

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Über den Autor

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Frank Schilli

Rechtsanwalt. Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Langjährige Erfahrung als Referent.

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