Motivierende Einstiege in „trockene“ Fachtrainings -Teil II

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In Teil I dieser Blogreihe ging es um die hohe Bedeutung von gelungenen Einstiegen in fachspezifische Inhaltssequenzen. Die wesentlichen Aspekte waren dabei

  1. das eigene Mindset zu hinterfragen, ob es wirklich „trockene“ Themen gibt oder ob vielleicht nur die gewählte Methodik zur Vermittlung des Themas ungünstig ist,
  2. daraus resultierend sprachliche Muster zu verändern
    und
  3. über attraktive Methoden das Interesse an den zu vermittelnden Inhalten zu wecken.

Für Punkt 3 soll nun dieser Beitrag Ihren Methodenkoffer füllen und zu eigenen Ideen anregen.

1. Ermöglichen Sie Ihren Teilnehmenden früh das entdeckende bzw. experimentelle Lernen

Viele Fachtrainer:innen sind der Meinung, dass sie jeden Inhalt zunächst einmal in Präsentationsform vermitteln müssen und frühestens danach die Teilnehmenden übend aktiv werden können.

Gerade in deutlich zu langen Präsentationsphasen führt der Overload an neuen Infos dabei aber zu Überforderungsgefühlen bei den Teilnehmenden und nicht selten zum „Abschalten“.

Dazu drei Praxistipps:

  • Gehen Sie Step by Step vor und definieren Sie überschaubare (kleinere) Lernziele.
  • Lassen Sie die Teilnehmenden die Inhalte selbst erarbeiten. Trauen Sie dabei Ihren Teilnehmenden viel zu und sie werden viel können.
  • Sehen Sie den Lernprozess als einen Prozess. Das heißt, dass es gar nicht schlimm ist, wenn die Lösung einer Gruppe zunächst nicht ganz richtig ist. Erfahrungsgemäß sind die meisten Vermutungen von Trainingsgruppen überraschend stimmig. Den noch nicht ganz richtigen Teil kann man anschließend noch gemeinsam erörtern.

Ein Beispiel:

Kontext: Ein Training zu neuen Prozessen im Unternehmen

Lernziel: Die Teilnehmer:innen kennen die Reihenfolge der Hauptschritte eines neu definierten Prozesses.

Methode: Experimentelle Aufstellung
Hier steht die Gruppe im Halbkreis. Nun zieht jede:r Teilnehmende eine mit einem Prozess-Schritt beschriftete Moderationskarte, die sie:er mit Schrift nach vorne den anderen Teilnehmenden zeigt. Die Teilnehmenden sortieren nun die Prozess-Schritte von links nach rechts so, wie sie glauben, dass sie in der Abfolge vorgesehen sind. Dazu stellen sich die Teilnehmer:innen in einer neuen Reihenfolge auf.

Ergebnis: Erfahrungsgemäß entwickelt sich zunächst eine intensive Diskussion darüber, welche Reihenfolge sinnvoll sein könnte. Gerade auch bei der Auflösung wird es häufig Kommentare und Fragen geben, was denn Sinn und Zweck gerade dieses Ablaufs sei. Oft wird so ein Verständnis für die Notwendigkeiten anderer Abteilungen geweckt. Damit sind die Teilnehmenden emotional und inhaltlich sofort stark beteiligt. Und was will man als Trainer:in mehr?

2. Kleine Veränderungen des Settings erhöhen den Spannungsbogen und die Lernintensität

Manchmal reicht es völlig aus, das bisherige Vorgehen nur minimal zu verändern, um die Motivation der Teilnehmenden und deren Lernerfolg deutlich zu erhöhen.

So gab es in einigen Trainings, die ich als Methodencoach begleiten durfte, immer mal wieder den durchaus sinnvollen Ansatz der durchführenden Trainer:innen, das Interesse der Teilnehmenden an einer Fachthematik durch überraschende Zahlen (z. B. durch Statistiken) zu wecken. Dies fand entweder so statt, dass der:die Trainer:in diese Zahl einfach nannte oder die Frage quasi als „Quizfrage“ ans Plenum stellte. Im ersten Fall konnte der:die Trainer:in maximal das Interesse derer wecken, die gerade konzentriert zuhörten. Im zweiten Fall wurde vor allem das Interesse derer geweckt, die die Antwort wussten. Erfahrungsgemäß waren allerdings auch manche Teilnehmende bei dieser etwas verschulten Art der Vorgehensweise eher mit der Sorge beschäftigt, „aufgerufen“ zu werden, als sich über die Antwort Gedanken zu machen.

Wie kann man nun durch kleine Veränderungen des Settings „verschulte“ Ansätze reduzieren und gleichzeitig den Spannungsbogen und die Lernintensität erhöhen?

Ein Beispiel:

Kontext: Ein Training für Mieter:innen und Vermieter:innen zu Schäden in Mietwohnungen

Ursprüngliches Lernziel: Die Teilnehmenden kennen die Dimensionen der durch Mieter:innen-Fehlverhalten entstandenen Schimmelschäden in Mietwohnungen.

Ursprüngliche Methode: Der:die Trainer:in fragte im Plenum, wieviel Prozent der begutachteten Schimmelschäden durch Mieter:innenfehler verursacht würden.

Ursprüngliches Ergebnis: Da einer der Teilnehmenden das Seminar schon mehrfach besucht hatte, konnte er sofort die Zahl nennen und somit glänzen. Manche schienen erleichtert, dass sie nicht aufgerufen wurden. Andere schienen überrascht über die Höhe der Zahl.

Mein Vorschlag für eine leicht veränderte Version:

Neues Lernziel: Die Teilnehmenden kennen die Dimensionen der durch Mieter:innen-Fehlverhalten entstandenen Schimmelschäden in Mietwohnungen und die Hauptursachen für die Schimmelbildung.

Neue Methode: Der:die Trainer:in bildet Zweier- oder Dreiergruppen. Aufgabe jeder Gruppe ist es, auf eine Moderationskarte die geschätzte Prozentzahl zu schreiben, auf drei weiteren Karten die vermuteten Hauptursachen für Schimmelschäden.

Neues Ergebnis: Durch die notwendige Einigung auf eine gemeinsame Prozentzahl gingen die Teilnehmenden in eine intensive inhaltliche Diskussion, bei der sie auch schon automatisch über die vermuteten Hauptursachen sprachen. Durch die Kleingruppenarbeit war jede:r involviert und setzte sich gleich zu Beginn mit der Thematik intensiv auseinander.

Fazit

  • Ermöglichen Sie den Teilnehmenden das selbst-entdeckende Lernen durch Ihre Methodenauswahl.
  • Steigern Sie Intensität, Motivation und Lerneffekte der Teilnehmenden durch interaktive Methoden, wie z. B. Gruppenarbeiten.
  • Vertrauen Sie auf die Kompetenz Ihrer Teilnehmenden und lösen Sie sich von der Vorstellung, alles erstmal selbst präsentieren zu müssen.
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Über den:die Autor:in

Stephan Rude

Stephan Rude ist Train-the-Trainer-Spezialist und Trainer der Haufe Akademie.

Zur Themenübersicht Kompetenz für Training, Coaching und Beratung