Digitaler Vertrieb & die Veränderungen des Unternehmensalltags

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Die digitale Transformation ist für jedes Unternehmen ein Thema. Schließlich haben sich die Kund:innenerwartungen mit dem Einzug der neuen Technologien in den Alltag stark verändert. Leider hinken zahlreiche Betriebe diesen Erwartungen aber oft noch hinterher.

Digitaler Vertrieb vs. analoge Realität

Ohne Smartphone geht nichts mehr. Ist der Akku leer, wird gefühlt das halbe Leben abgeschaltet. Inzwischen sind wir es gewohnt, rund um die Uhr erreichbar zu sein – und auch alles erreichbar zu haben: Wissen steht auf Knopfdruck zur Verfügung, Produkte können jederzeit und von jedem Ort aus bestellt werden. Fest steht: Kund:innen haben sich mit dem Einzug der neuen Technologie in den Alltag verändert.

Unternehmen hinken dieser Veränderung jedoch nach wie vor hinterher: „Und der Abstand vergrößert sich zunehmend“, konstatiert Benjamin Talin, Gründer der Non-Profit-Initiative MoreThanDigital.info. Hier versucht man, möglichst viel Wissen über den digitalen Wandel, die digitale Transformation und den Nutzen der Technologien für jeden verständlich zu machen. Offensichtlich ist das auch bitter nötig. Denn laut den Expert:innen der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey gehen nur acht Prozent der Führungskräfte davon aus, dass ihr momentanes Geschäftsmodell die digitale Transformation übersteht.

Die Katze beißt sich dabei laut Talin in den Schwanz: „Die digitale Transformation hat im Grunde erst neue Kundenerwartungen geschaffen, die die Firmen jetzt adressieren müssen. Andernfalls bleiben sie auf der Strecke.“ Nie war es wichtiger, den Kund:innen den Nutzen und den tatsächlichen Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung genau darzustellen, da letztendlich oft winzige Nuancen über die Kaufentscheidung entscheiden. Die Frage ist nur wie? Denn bei vielen Firmen herrscht immer noch eher ein Kraut-und-Rüben-Zustand. Das betrifft vor allem folgende Bereiche:

  • Die effiziente und unternehmensweite Bereitstellung von
  • Kundeninformationen
  • eine geordnete Systemlandschaft
  • saubere Datenbanken

Vom reellen Einsatz neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Smart Data, Predictive Analytics, Chatbots oder Augmented Reality sind die meisten Betrieben sogar meilenweit entfernt. Möglich ist theoretisch heute bereits vieles. Nicht ohne Grund gibt es zur Digitalisierung zahlreiche Studien und Empfehlungen. Wer jedoch nach funktionierenden Praxisbeispielen für die digitale Transformation Ausschau hält, sucht lange – aber es gibt sie bereits.

Digitalisierung setzt Ressourcen frei

Vor allem Technologie-Unternehmen, die ohnehin mit der Materie und der digitalen Transformation vertraut sind, scheuen sich nicht, neue Wege einzuschlagen. So war ein deutscher Digitalisierungsspezialist in puncto Marketing Automatisierung bei der Leadgenerierung eigentlich bereits ein alter Hase. Irgendwann stieß die bisherige Lösung bei der fehlerfreien Verarbeitung von täglich enorm großen Datenmengen mit mehreren hunderttausend Leads jedoch an ihre Grenzen. Eine neue Lösung musste her, die sämtliche Marketingprozesse auch bei großer Datenlast schnell und fehlerlos abbilden konnte. Dem Betrieb war es wichtig, die Kund:innen fortan durch ihren gesamten Customer-Lifecycle zu begleiten und dadurch deren Zufriedenheit zu erhöhen. Aufgrund dessen war außerdem die Anbindung an das Marketing-Ökosystem elementar, zu dem unter anderem auch verschiedene Analytics-Systeme gehören.

Das Münchner Business entschied sich deshalb für eine Marketing-Automation-Software. Durch diese sind die Mitarbeiter:innen dazu in der Lage:

  • ihre Prozesse zu automatisieren
  • eigenständig Kampagnen in all ihren Bestandteilen aufsetzen – sei es eine Umfrage, Mailings, Webinare oder die Verknüpfung mit den sozialen Netzwerken.

Rund 500 Marketingprogramme werden seit der Einführung der neuen Lösung pro Jahr vom EMEA-Team aufgesetzt. Alllein in deutscher Sprache versendet das Team rund 300 E-Mails monatlich.

Der entscheidende Mehrwert der Software ist das User Interface. Die internen Benutzer können viel besser mit der intuitiven Benutzeroberfläche arbeiten, als es ihnen mit der vorherigen Lösung möglich war. Die Plattform wirkt zudem wie eine Klammer um alle Einheiten – sie enthält alle Assets und Kampagnen. So können beispielsweise innerhalb von 15 Minuten ein Webinar- oder Whitepaper-Programm samt dazugehörigen E-Mails und Landingpages geklont werden Die neue Lösung dient nicht nur als „Türhüter“ für neue Leads, auch die Datenqualität der bestehenden Kund:innen wird kontrolliert und gegebenenfalls bereinigt.

Die verbesserte Effizienz bedingt durch die digitale Transformation hatte darüber hinaus auch organisationale Folgen: Es konnten intern Ressourcen freigesetzt werden, die es ermöglichten, ein weiteres Standbein aufzubauen. Mittlerweile arbeiten rund zehn Personen im Bereich „Customer Marketing“. Dieser ist für die Betreuung der Kund:innen zuständig und nimmt den Customer Lifecycle komplett in den Blick. Der Automatisierungsgrad im Unternehmen wurde definitiv erhöht. Dies hat Auswirkungen auf die alltägliche Arbeit. Der Betrieb hat mehr Freiräume und kann Maßnahmen intensiver testen, Neues ausprobieren und Innovationen vorantreiben.

Vorhandenes kommt oft nicht zum Einsatz

Von so einem ausgereiften Marketing- und Vertriebsmodell können die meisten Firmen momentan allerdings nur träumen. Selbst, wenn die Firmen eigentlich alles im Haus hätten, was zu einer guten und effizienten Kundenbetreuung im Sinne der digitalen Transformation notwendig ist – es wird oft nicht eingesetzt. Viele Verkäufer wissen einfach nicht, was sie tun sollen oder wenden ihr Wissen nicht an: Es fehlt an der so genannten Workflow-Automation, die ihnen konkrete Anweisungen gibt, welcher Schritt als nächstes folgt: Welcher Kunde braucht nun welche Information?

Unerlässlich ist es hierbei zu wissen, wen man innerhalb des identifizierten „Buying Centers“ (Gruppe von Personen, die an einer Kaufentscheidung beteiligt sind) eigentlich anspricht:

  • Ist es der:die Geschäftsführer:in, der sich einen groben Überblick verschaffen möchte
  • oder ein:e Verkaufs- beziehungsweise Marketingleiter:in?
  • Ist es der erste Kontakt, der zweite oder gar der dritte?
  • Wie weit ist die Kommunikation bereits fortgeschritten?

Und wenn möglich, sollte diese „Next best action“ nicht nur auf den Kontakt, sondern auch auf die Zielgruppe zugeschnitten sein. All das können gute Systeme im Zeitalter der digitalen Transformation heute bereits leisten indem sie Kund:innendaten analysieren und daraus wichtige Informationen ableiten. Dadurch sind koordinierte Entscheidungen über alle Kanäle in Echtzeit möglich. So gibt es inzwischen viele moderne Guided-Selling-Systeme, die den Verkäufern automatisiert helfen, potenzielle Käufer:innen zu beraten und durch den Produktauswahlprozess zu führen.

Vorbereitung auf die digitale Transformation ist alles

Wie jeder Innovationsschritt, bedarf auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und -modellen einer fundierten Vorbereitung – von der ersten Potenzialanalyse bis zur praktischen Umsetzung und fortlaufenden Weiterentwicklung der digitalen Transformation, weiß der Bereichsleiter IT, Innovation und Technologie bei der Industrie- und Handelskammer (IHK): „Jeder, der ein solches Projekt in Angriff nimmt, muss sich aber im Klaren darüber sein, dass „das eine“ digitale Geschäftsmodell nicht existiert. Geschäftsmodelle müssen fortlaufend und unternehmensspezifisch mit Hilfe unterschiedlichster Methoden entweder neu entwickelt oder auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls differenziert beziehungsweise weiterentwickelt werden.“

Natürlich ist es laut dem Bereichsleiter zufolge sinnvoll, andere Praxisbeispiele zu betrachten und die Übertragung verschiedener Elemente auf das eigene Konzept zu diskutieren: „Anspruch und Potenzial der Geschäftsmodell-Entwicklung liegen jedoch gerade darin, diejenigen Ansätze und Kund:innenbedürfnisse zu erkennen, für die noch keine technischen Lösungen oder Geschäftsprozesse erdacht wurden.“ Die Einbeziehung eines:einer externen Berater:in kann in solchen Fällen sehr sinnvoll sein, wenn das erforderliche Know-how inhouse hinsichtlich der digitalen Transformation inhouse existiert: „Schließlich geht es um die Auswahl und die Entwicklung einer geeigneten Software bis hin zu Fragen der IT-Sicherheit oder der Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbeitenden“, so der Bereichsleiter IT.

Überhaupt dürfen die Mitarbeitenden bei der ganzen Diskussion um all die neuen technologischen Möglichkeiten keinesfalls vergessen werden. „Sie müssen nicht nur Skills und Verkaufstechniken hinzulernen, um den digitalen Herausforderungen gewachsen zu sein. Ihnen muss auch die Angst genommen werden, durch die Technologisierung irgendwann wegrationalisiert zu werden“, betont MoreThanDigital.info-Gründer Talin. Denn egal wie automatisiert die Kommunikation und Interaktion zwischen Kund:innen und Firmen in Zukunft auch ablaufen wird: „Es handelt sich auf beiden Seiten immer noch um Menschen. Und das darf nie vergessen werden.”

Neue Technologien für Marketing und Vertrieb im Überblick

Die viel zitierte „Digitale Transformation” bezeichnet einen fortlaufenden, in digitalen Technologien begründeten Veränderungsprozess, der die gesamte Gesellschaft und – in wirtschaftlicher Hinsicht – speziell Unternehmen betrifft. Basis sind neue Technologien, die in immer schnellerer werdenden Folge entwickelt werden und somit den Weg für den Fortschritt ebnen. Hier ein kleiner Überblick über die wichtigsten Technologien in den Bereichen Marketing und Vertrieb:

Augmented Reality: Nicht nur bei Wartung und Service können zum Beispiel Datenbrillen nützlich sein. Auch die Schulung von Mitarbeitern oder Methodentransfers über Standorte hinweg lassen sich hierdurch unterstützen.

Big Data Analytics: Die Analyse von Kennzahlen beschränkt sich vielfach noch auf strukturiert erfasste Daten. Mittels moderner Algorithmen können oft Muster oder Zusammenhänge in verschiedensten – häufig wenig beachteten – Daten erkannt werden.

Blockchain: Gemeinsam genutzte Datenbanktechnologie, bei der unterschiedliche Einheiten einer Transaktion direkt miteinander verknüpft werden. Die Einträge werden dabei in chronologisch aufeinanderfolgenden Datenblöcken festgehalten. Durch kryptografische Signaturen ist die Fälschungssicherheit der Einträge garantiert.

Chatbots: Programm, das getippte Texte von Nutzern/Kunden entgegennimmt und in Textform antwortet. Hier gibt es zwei Ansätze: Der Chatbot basiert auf festen Regeln. Er erkennt Schlüsselwörter oder Phrasen und gibt entsprechend Antworten aus. Oder: Der Chatbot greift auf eine Art Künstliche Intelligenz zurück und lernt weiter dazu.

Cloud-Lösungen: In verschiedensten Szenarien können Cloud-Lösungen Kostenvorteile bringen oder bestimmte digitale Geschäftsprozesse im Zuge der digitalen Transformation erst ermöglichen.

CRM-Systeme: Kund:innenbeziehung ist viel mehr als Marketing, Vertrieb und Auftragsabwicklung. Spezielle Systeme können das Kundenbeziehungsmanagement wirksam unterstützen.

Digitale Produkte: Produkteinstellungen über das Smartphone vornehmen oder den Zustand einer Maschine aus der Ferne überwachen – die Möglichkeiten im Internet der Dinge sind schon jetzt nahezu unbegrenzt.

Dokumentenmanagement: Verschiedenste Dokumente sind heutzutage per se elektronisch verfügbar oder können durch Einscannen digitalisiert werden. Ein Dokumentenmanagementsystem kann zu deutlichen Effizienzsteigerungen führen.

Groupware: Unzählige Collaboration-Tools unterstützen die Zusammenarbeit in Teams sowohl vor Ort als auch über große Distanzen hinweg.

Guided-Selling-Systeme: Software-Lösungen, die den Verkäufern automatisiert helfen, potenzielle Käufer zu beraten und durch den Produktauswahlprozess zu leiten.

Künstliche Intelligenz (KI): Von der Kundenbindung oder intelligenten Chatbots über Fehlervermeidung in der Produktion bis zu autonomen Fahrzeugen bieten KI-Anwendungen Potenzial.

Marketing Automation: Marketing findet heutzutage über verschiedenste Kanäle statt, die manuell kaum noch gleichzeitig zu bedienen sind. Verschiedenste Lösungen unterstützen im Zeitalter der digitalen Transformation durch Automatisierung von Abläufen.

Mobile Business: Mobile Geschäftsprozesse sind deutlich mehr als die Abbildung bestehender Vorgänge in einer App. Häufig können Prozesse mit Hilfe neuer Technologien effizienter gestaltet und Fehlerquoten reduziert werden.

Smart Data: Datenbestände, die mittels Algorithmen nach bestimmten Strukturen aus größeren Datenmengen extrahiert wurden und sinnvolle Informationen erhalten. Diese Daten wurden bereits vorher gesammelt, geordnet sowie analysiert und für den Endverbraucher vorbereitet.

Workflow-Management-Systeme: Viele Prozesse bestehen im Wesentlichen in der Weitergabe von Informationen oder Dokumenten. Ein effizientes Workflow-Management kann hierbei Medienbrüche verhindern, Durchlaufzeiten verringern und die Systematik steigern.

Vorlagenmanagement: Ob Corporate Design, Layout oder Textbausteine – Vorlagenmanagement beschleunigt die Erstellung von Dokumenten und vermeidet Fehler.

QUELLE: Haufe Akademie / Industrie- und Handelskammer

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Über den:die Autor:in

Sabine Jobstmann

Sabine Jobstmann ist ausgebildete Wirtschaftsjournalistin mit den Schwerpunkten Marketing, Vertrieb, Kundenmanagement, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

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