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KI und Nachhaltigkeit: Wie künstliche Intelligenz den Umweltschutz revolutioniert

Lesezeit: 5 Min
KI und Nachhaltigkeit müssen kein Widerspruch sein

Künstliche Intelligenz verbraucht enorme Mengen an Energie – gleichzeitig eröffnet sie völlig neue Wege für nachhaltiges Wirtschaften. Während das Training von KI-Modellen Rechenzentren an ihre Grenzen bringt, helfen intelligente Algorithmen Unternehmen dabei, Ressourcen zu sparen, Emissionen zu reduzieren und soziale Verantwortung zu übernehmen. KI und Nachhaltigkeit stehen in einem spannungsreichen Verhältnis: Wie können Sie die Potenziale der Technologie nutzen? Dieser Artikel zeigt Ihnen praxisnahe Lösungen und konkrete Anwendungsfälle für nachhaltiges KI-Management in Ihrem Unternehmen.

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Künstliche Intelligenz und ihr Energieverbrauch

Expert:innen gehen davon aus, dass jede KI-Anfrage bei ChatGPT rund drei Wattstunden Strom verbraucht – und damit zehnmal mehr als eine Google-Suche. Das klingt wenig, summiert sich aber bei 300 Millionen wöchentlich aktiven Nutzer:innen (Quelle) zu einer gewaltigen Menge.

Prognosen rechnen mit einem Gesamtverbrauch weltweiter KI-Systeme von über 80 Terawattstunden pro Jahr – das entspricht dem Elektrizitätsbedarf von Ländern wie den Niederlanden oder Schweden.

Rechenzentren verursachen heute bereits 4 bis 5 % des weltweiten Energieverbrauchs. Expert:innen befürchten einen Anstieg auf bis zu 30 % in den kommenden Jahren. Doch der hohe Energieverbrauch ist nicht das einzige Problem: ChatGPT benötigt rund einen halben Liter Wasser pro Chat für die Kühlung der Server. Das Training des Systems verschlang bislang bereits rund 700.000 Liter Wasser (Quelle).

Möglichkeiten, KI-Modelle nachhaltiger zu gestalten

Die gute Nachricht: Sie können den Energiehunger Ihrer KI-Anwendungen reduzieren. Drei Green-AI-Ansätze haben sich für KI im Unternehmen als besonders wirkungsvoll erwiesen:

  • Open-Source-Ansätze nutzen: Statt eigene Modelle von Grund auf zu trainieren, greifen Sie auf bewährte Open-Source-Lösungen zurück. Sie können Modelle wie BERT (Bidirectional Encoder Representations from Transformers) oder LLaMA (Large Language Model Meta AI) durch gezieltes Fine-Tuning an Ihre spezifischen Anforderungen anpassen – mit einem Bruchteil des ursprünglichen Energieaufwands.
  • Datenminimalistische Ansätze implementieren: Weniger ist mehr: Reduzieren Sie Ihre Datensätze auf das Wesentliche. Intelligente Datenbereinigung und -auswahl können die Trainingszeit verkürzen, ohne die Modellqualität zu beeinträchtigen. Techniken wie Data Pruning (Datenbereinigung) entfernen redundante Informationen und beschleunigen das Training erheblich.
  • Green AI-Prinzipien befolgen: Green AI stellt Effizienz über reine Leistung. Wählen Sie Algorithmen, die weniger Rechenleistung benötigen, auch wenn sie minimal weniger präzise sind. Nutzen Sie energieeffiziente Hardware und optimieren Sie Ihre Modellarchitektur für geringeren Stromverbrauch.

Diese Maßnahmen senken nicht nur Ihre Energiekosten, sondern positionieren Ihr Unternehmen auch als Vorreiter für verantwortliche KI-Nutzung.

Weiterbildungen im Bereich Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges, aber auch komplexes Thema. Denn Nachhaltigkeit ist mehr als mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren oder Müll zu trennen. Die Weiterbildungen des Sustainability Colleges beleuchten das Thema umfassend und helfen Ihnen dabei, Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen zu verankern.

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Praxisbeispiele: KI macht Unternehmen nachhaltiger

Künstliche Intelligenz erobert die Unternehmenswelt – allerdings bisher hauptsächlich aus wirtschaftlichen Motiven. Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und Prozessautomatisierung stehen im Fokus der meisten KI-Projekte. Doch ein Paradigmenwechsel zeichnet sich ab. Die folgenden Anwendungsbereiche zeigen: Intelligente Systeme können ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit vorantreiben.

Energieeffizienz in der Produktion

Stellen Sie sich eine Produktionsstätte vor, in der intelligente Algorithmen Produktionsdaten in Echtzeit analysieren und Temperatur, Druck und Maschineneinstellungen automatisch anpassen.

Das Ergebnis: Geringerer Energieverbrauch bei gleicher Produktionsleistung. KI-gestützte Systeme erkennen Ineffizienzen, die Menschen entgehen. Sie optimieren Heizungs- und Kühlsysteme, schalten ungenutzte Maschinen ab und koordinieren Produktionsabläufe für maximale Energieeffizienz.

Henkel zeigt, wie es geht: Der Konzern reduzierte durch KI und digitale Systeme seine Energie- und Emissionswerte seit 2013 um 50 %. Mehr dazu im Artikel „Nachhaltigkeit durch Künstliche Intelligenz: Was ist möglich?”

KI in der Kreislaufwirtschaft

Diese beiden Unternehmen zeigen, welchen Beitrag KI noch für mehr Nachhaltigkeit leisten kann:

KI in der Textilindustrie KI in der Abfallwirtschaft
Die Textilindustrie galt lange als Umweltsünder – KI ändert das. Das Projekt fashionsort.ai sortiert gebrauchte Textilien automatisch für effizientes Recycling. Bilderkennungs-Algorithmen unterscheiden Materialien, Farben und Qualitätsstufen mit 95 %-iger Genauigkeit. Der RecycleBot geht noch weiter: KI-optimierte Sortierverfahren erhöhen die Recyclingquote von Kunststoffabfällen um 40 %. Sensoren erkennen verschiedene Plastikarten und leiten sie automatisch den richtigen Verwertungswegen zu.

Optimierung von Lieferketten und Logistik

DHL zeigt, wie KI die letzte Meile revolutioniert: Der Logistikkonzern setzt bereits heute intelligente Systeme ein, die Nachhaltigkeit und Effizienz gleichermaßen vorantreiben:

KI-Prognosemodelle analysieren jede einzelne Sendung und erstellen optimale Routensequenzen. Diese berücksichtigen alle wichtigen Variablen für die bestmögliche Route und liefern Kund:innen präzise Informationen über die voraussichtliche Lieferzeit.

Die optimierte Route vermeidet zusätzliche Fahrten und unnötige Stopps. Das trägt entscheidend zur Kraftstoffeffizienz bei. Zusätzlich kommen eine KI-gestützte Fahrtenanalyse und eine Fahrverhaltensanalyse zum Einsatz: Damit erkennt das System Ineffizienzen wie übermäßige Leerlaufzeiten und hilft Fahrer:innen dabei, ihren Kraftstoffverbrauch zu optimieren.

Soziale Nachhaltigkeit durch KI

Soziale Nachhaltigkeit bedeutet mehr als faire Arbeitsbedingungen – sie umfasst den gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Das sind nur einige Beispiele:

  • Die Entwicklung neuer Medikamente dauert viele Jahre und kostet Milliarden. KI verkürzt diese Zeitspanne drastisch: Algorithmen analysieren Millionen von Molekülkombinationen in Wochen statt Jahren und identifizieren vielversprechende Wirkstoffkandidaten.
  • In der Krebsdiagnostik übertrifft KI bereits heute menschliche Fähigkeiten: Bilderkennungsalgorithmen entdecken Tumore in Röntgenaufnahmen und CT-Scans früher und präziser. Früherkennung rettet Leben und reduziert Behandlungskosten.
  • Die Pflege profitiert von intelligenten Assistenzsystemen. KI-gestützte Sensoren überwachen Vitalwerte rund um die Uhr und alarmieren Pflegekräfte bei Notfällen. Roboter unterstützen bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten und entlasten das Personal. Das verbessert die Versorgungsqualität und die Arbeitsbedingungen.
  • KI unterstützt die soziale Inklusion, indem sie Barrieren abbaut. Spracherkennungssoftware ermöglicht Menschen mit motorischen Einschränkungen die Bedienung von Computern und Smartphones. Echtzeit-Übersetzungssysteme helfen Menschen mit geringen Sprachkenntnissen bei der Kommunikation.

Zweckmäßigkeit des KI-Einsatzes

Nicht jede Nachhaltigkeitsherausforderung braucht Künstliche Intelligenz. Sie müssen sorgfältig abwägen, wann der Einsatz wirklich sinnvoll ist. Diese fünf Kriterien helfen Ihnen bei der Entscheidung:

#1: Komplexität als Gradmesser

KI entfaltet ihre Stärken bei komplexen Problemen mit vielen Variablen. Energieoptimierung in großen Produktionsanlagen mit hunderten Maschinen, wechselnden Produktionszyklen und schwankenden Energiepreisen? Hier zahlt sich KI aus. Die Steuerung einer einzelnen Heizungsanlage nach festen Zeitplänen? Dafür reichen oft einfachere Lösungen.

Faustregel: Je mehr Datenquellen, Abhängigkeiten und Einflussfaktoren das Problem hat, desto wahrscheinlicher rechtfertigt KI den Ressourcenverbrauch. Bei linearen Zusammenhängen mit wenigen Parametern greifen Sie besser zu klassischen Optimierungsverfahren.

#2: Art der Aufgabe entscheidet

KI eignet sich besonders für vier Aufgabentypen: 

  • Mustererkennung in großen Datenmengen hilft dabei, versteckte Energieverschwendung in Produktionsprozessen aufzudecken.
  • Vorhersagen basierend auf historischen Daten ermöglichen präzise Bedarfsprognosen und verhindern Überproduktion.
  • Optimierung von Prozessen mit vielen Parametern macht bspw. Lieferketten effizienter. 
  • Automatisierung repetitiver Entscheidungen beschleunigt die Sortierung von Recyclingstoffen.

Für einfache Wenn-dann-Regeln, statische Berechnungen oder einmalige Analysen ist eine klassische Programmierung oft effizienter und ressourcenschonender.

#3: Gewünschter Automatisierungsgrad

Definieren Sie klar, wie selbstständig Ihr KI-System agieren soll. Vollautomatisierte Systeme eignen sich für unkritische, repetitive Aufgaben wie die Beleuchtungssteuerung oder Temperaturregelung. Bei wichtigen Geschäftsentscheidungen sollte KI als intelligenter Assistent fungieren, der Empfehlungen gibt, während Menschen finale Entscheidungen treffen.

#4: Kritikalität des Systems

Je kritischer die Auswirkungen von Fehlentscheidungen, desto vorsichtiger sollten Sie sein. Sicherheitskritische Systeme wie Notabschaltungen oder medizinische Geräte benötigen menschliche Überwachung und Backup-Systeme. Unkritische Anwendungen wie die Optimierung von Bürobeleuchtung lassen sich vollständig automatisieren.

Erstellen Sie eine Risikomatrix: Wie wahrscheinlich sind Fehler und welche Folgen hätten sie? Bei hohem Risiko investieren Sie in eine aufwändige Absicherung oder verzichten auf KI.

#5: Nachhaltigkeitsnutzen quantifizieren

Unternehmen setzen energieintensive KI-Systeme ein, um ihre Umweltbilanz zu verbessern. Das klingt widersprüchlich – funktioniert aber, wenn Sie es richtig angehen. Der wichtigste Maßstab: Übersteigt der Nachhaltigkeitsnutzen den ökologischen Fußabdruck der KI? 

Führen Sie eine Lebenszyklusanalyse durch und berücksichtigen Sie auch indirekte Effekte wie verbesserte Produktqualität oder verlängerte Maschinenlebensdauer. Der Schlüssel liegt in der Verhältnismäßigkeit: Eine KI-Anwendung, die den Energieverbrauch Ihrer Produktion um 20 % senkt, rechtfertigt ihren eigenen Stromverbrauch um ein Vielfaches. Wichtig ist, dass Sie den Netto-Effekt im Blick behalten und Rebound-Effekte vermeiden.

Rebound Effekte

Rebound-Effekte treten auf, wenn Effizienzgewinne durch KI zu ungewolltem Mehrverbrauch führen. Ein Beispiel: KI optimiert die Produktion und senkt die Herstellungskosten um 30 %. Statt die gesparte Energie als Nachhaltigkeitsgewinn zu verbuchen, steigern Sie die Produktion um 40 %, weil es jetzt günstiger ist. Unterm Strich verbrauchen Sie mehr Ressourcen als vorher. Um Rebound-Effekte zu vermeiden, sollten Sie Effizienzgewinne bewusst für weitere Nachhaltigkeitsmaßnahmen einsetzen statt für Wachstum.