Die Omnibus-Initiative der EU: Mehr Klarheit und weniger Bürokratie?

Mit der Anfang 2025 vorgestellten Omnibus-Initiative verfolgt die Europäische Union umstrittene Ziele für ihre Nachhaltigkeitsstrategie. Das Maßnahmenpaket soll bestehende Verordnungen und Richtlinien in der Nachhaltigkeitsberichterstattung aktualisieren und vereinfachen. Das Ziel: Klarheit schaffen, bürokratischen Aufwand verringern und mehr Investitionen fördern. Unternehmen in der EU erhalten durch die Neuregelungen Rechtssicherheit und zusätzliche Zeit, um sich auf ihre ESG-Berichtspflicht – etwa im Rahmen von CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie – vorzubereiten. Was Omnibus genau bedeutet, wann die Maßnahmen in Kraft treten sollen und welche Auswirkungen die Änderungen auf Ihr Unternehmen haben können, erfahren Sie hier.
Begriffsklärung: Omnibus-Initiative, Verordnung oder Paket?
Ob Omnibus-Initiative, -Verordnung, -Paket oder gar -Maßnahmenpaket: Es gibt nicht den einen offiziellen Begriff, denn alle Varianten sind korrekt und gebräuchlich. Die EU-Kommission nutzt aktuell „Omnibus-Paket“ und bezeichnet damit die Sammlung von Vorschlägen zur Vereinfachung bestehender EU-Regelungen. In der Praxis und in der Medienberichterstattung hat sich „Omnibus-Verordnung“ etabliert und wird vor allem im Kontext spezifischer Rechtsakte genutzt, die bereits offiziell beschlossen wurden. Dennoch ist „Omnibus-Verordnung“ an dieser Stelle der falsche Begriff, denn die Vorschläge müssen noch das Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen. Dabei kann es noch zu Änderungen kommen.
Ziele und Umfang der Omnibus-Initiative
Hintergrund der Maßnahmen, sind die nach Einschätzung der EU zu komplexen und strengen regulatorischen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Um den Bürokratieabbau zu beschleunigen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, sollen die Maßnahmen der Omnibus-Initiative drei zentrale Vorschriften der EU deutlich vereinfachen und harmonisieren:
- Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
- Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
- EU-Taxonomie
Für die drei Bereiche werden die Berichtsanforderungen um mindestens 25 Prozent, für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sogar um 35 Prozent, reduziert. Die Absicht dahinter ist, dass größere Unternehmen die Last der Regulierung tragen, während die kapitalmarktorientierten kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht mit Regularien und Anforderungen überfordert werden. Konkret bedeutet das: Die zu meldenden Datenpunkte und Angaben, die Unternehmen bisher im Rahmen von CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie angeben mussten, werden deutlich verringert. Der Fokus wird künftig vor allem auf quantitativen Datenpunkten und weniger auf einer hohen Detaildichte liegen. Unternehmen würden dadurch Ressourcen bei der Datenerhebung und -verarbeitung sparen und den administrativen Aufwand reduzieren, ohne den grundlegenden Informationsgehalt der Berichte zu beeinträchtigen.
Das Maßnahmenpaket soll aber auch Rechtssicherheit bringen. Unternehmen können nun ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung besser planen und umsetzen. Das steigert auch Investitionen in nachhaltige Aktivitäten, um die grüne Transformation voranzubringen. Nicht zuletzt soll die Fristverlängerung mehr Puffer schaffen, damit Unternehmen Nachhaltigkeit ganzheitlich und strukturell in die Unternehmensstrategie verankern können. All das soll Nachhaltigkeit nicht zur regulatorischen Last, sondern zur wirtschaftlichen Chance machen – so zumindest die Hoffnung.
Folgen für CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Die CSRD verpflichtet Unternehmen, über ihre Risiken sowie negative und positive Auswirkungen in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung zu berichten. Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wird stark überarbeitet und signifikant angepasst. Künftig sollen nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von 25 Mio. EUR oder einem Umsatz von 50 Mio. EUR berichtspflichtig sein. Kapitalmarktorientierte KMUs fallen damit komplett aus dem Anwendungsbereich der Berichtspflichten heraus. Damit würden rund 80 Prozent der ursprünglich betroffenen Unternehmen aus der CSRD-Berichtspflicht fallen!
Der Stop-the-clock-Vorschlag vom 3. April 2025 legt fest, dass sich die Berichtspflicht nach hinten verschiebt. Sie wird für Unternehmen der zweiten Welle (ursprünglich für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2025) und der dritten Welle (ursprünglich für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2026) um jeweils zwei Jahre verschoben. Für große Unternehmen, die bisher nicht unter die Nichtfinanzielle Berichterstattungsrichtlinie (NFRD) fallen, beginnt Berichtspflicht erst ab dem Geschäftsjahr 2027.
Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
Die CSDDD verpflichtet Unternehmen, jährlich über die Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu berichten. Für die europäische Lieferkettenrichtlinie werden die Sorgfaltspflichten vereinfacht. Unternehmen müssen nur noch ihre direkten Geschäftspartner (Tier-1) einbeziehen. Die ursprünglich geplante Verpflichtung, Geschäftsbeziehung zu riskanten und problematischen Partnern als letztes Mittel zu beenden, entfällt. Das soll partnerschaftliche Optimierungen in den Lieferketten fördern, anstatt direkt die Reißleine zum Geschäftspartner zu ziehen. Außerdem verlängert sicher der Überprüfungsturnus der Geschäftsbeziehungen von einem auf fünf Jahre und die Einführung zivilrechtlicher Haftungen wird gestrichen. Unternehmen sollen ihren Code of Conduct jedoch weiterhin in der gesamten Wertschöpfungskette durchsetzen. Erste CSDDD-Pflichten greifen ab 26. Juli 2028, also ein Jahr später als ursprünglich geplant.
EU-Taxonomie
Im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung sollen Unternehmen offenlegen, wie sich wirtschaftliche Geschäftstätigkeit (inkl. Umsatz, Investitionen und Betriebsausgaben) auf die Umwelt auswirkt. Durch die Omnibus-Initiative dürfen Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden und weniger als 450 Mio. Euro Umsatz künftig freiwillig eine Taxonomie-Berichterstattung ablegen – genau wie bei der CSRD-Berichterstattung. Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, aber weniger als 450 Mio. Euro Umsatz, müssen den für die Taxonomie relevanten Anteil ihrer Investitionen offenlegen (CapEx-KPI, Capital Expenditures). Die für Nachhaltigkeitsaktivitäten relevanten Betriebsausgaben (OpEx-KPI, Operating Expenditures) können freiwillig berichtet werden.
Zudem wird eine Wesentlichkeitsschwelle eingeführt: Aktivitäten unter 10 Prozent der relevanten Finanzkennzahlen sollen unwesentlich werden. Unternehmen müssen daher nur noch wirtschaftlich signifikante Aktivitäten bewerten und in den Bericht aufnehmen. Die komplexen und strengen „Do No Significant Harm“-Kriterien (DNSH) werden gelockert, um mehr Klarheit zu schaffen und den Interpretationsspielraum zu schmälern. Insgesamt soll die Berichterstattung, schlanker, klarer und praxisnäher werden.
Die EU-Kommission drängt auf eine schnelle Umsetzung und möchte das Paket noch 2025 final verabschieden, damit Unternehmen ab 2026 bzw. 2027 mit den neuen Anforderungen arbeiten können. Dafür veröffentlicht sie den Vorschlag zur Omnibus-Initiative am 26. Februar 2025 und übergab ihn ins reguläre Gesetzgebungsverfahren. Es braucht noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des EU-Rats. Die delegierten Rechtsakte zur EU-Taxonomie sollen im zweiten Quartal 2025 geändert und die überarbeiteten ESRS (European Sustainability Reporting Standards, Grundlage der CSRD) spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Pakets verabschiedet werden.

Auswirkungen auf Unternehmen
Unternehmen profitieren durch die Omnibus-Initiative von spürbaren Erleichterungen:
- Mehr Rechts- und Planungssicherheit: Endlich Klarheit für Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsstrategie nun verlässlicher planen und umsetzen können.
- Weniger Aufwand: Reduzierte Berichtspflichten und Datenpunkte entlasten insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen.
- Mehr Zeit: Die gestreckten Fristen geben Raum, Prozesse sauber aufzusetzen und bestehende Strukturen zu optimieren.
- Fokus auf das Wesentliche: Der Wegfall von Pflichtstandards (z. B. sektorspezifische ESRS) erlaubt mehr unternehmerische Freiheit bei der Umsetzung.
- Strategischer Vorsprung: Wer freiwillig weiter berichtet, kann Nachhaltigkeit gezielt als Differenzierungsmerkmal nutzen – und regulatorische Risiken frühzeitig minimieren.
Kritik an der Omnibus-Initiative: Entlastung auf Kosten des Impacts
So nachvollziehbar die Initiative der Europäischen Union auch ist, Unternehmen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entlasten: Aus Perspektive von Nachhaltigkeitsverantwortlichen und den Klimazielen bedeutet die Omnibus-Initiative einen Rückschritt. Viele der ambitionierten Anforderungen werden abgeschwächt oder nach hinten verschoben. Der Nachhaltigkeit in der Unternehmenspraxis droht (wieder), auf der Agenda nach unten zu rutschen, vertagt oder ignoriert zu werden. Was mühsam aufgebaut wurde, gerät in Gefahr, zur Nebensache zu werden. Eine Ernüchterung für viele Sustainability Manager:innen, die mit Überzeugung und strategischem Anspruch arbeiten.
Doch weniger Regulierung heißt nicht weniger Verantwortung. Jetzt ist der beste Moment, um freiwillig voranzugehen, klare Haltung und Weitblick zu zeigen und intern Überzeugungsarbeit zu leisten. Wer Nachhaltigkeit nicht nur als Pflicht, sondern als strategischen Hebel begreift, kann die gewonnene Zeit nutzen, um Strukturen zu festigen, Stakeholder zu überzeugen und das Thema wirksam im Unternehmen zu verankern.
So nutzen Sie die Omnibus-Initiative für Ihr Unternehmen
Die neu gewonnene Freiheit und Flexibilität sollte als Chance verstanden werden, Nachhaltigkeit fest in die Unternehmensstrategie zu verankern. Unternehmen, die künftig von der Berichtspflicht befreit sind, sollten ihre Bemühungen für Nachhaltigkeit und Transparenz weiter intensivieren. Denn zentrale Anforderungen an Nachhaltigkeit bleiben weiter bestehen – etwa die CO2-Bilanzierung. Unternehmen sollten daher frühzeitig ihren Fokus auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung legen und zeitnah relevante Daten erheben. Denn eine proaktive und strategische Umsetzung bietet erhebliche Wettbewerbsvorteile.
Wichtig zu beachten: Durch die Omnibus-Maßnahmen werden wahrscheinlich bestehende CSRD- und CSDDD-Regeln zusammengeführt. Das kann zu Änderungen in den Datenformaten zur Berichterstattung führen. Umso wichtiger, die organisatorische Aufstellung klar im Blick zu behalten, regulatorische Entwicklungen aktiv zu verfolgen und Chancen und Risiken ganzheitlich zu betrachten.
Fazit: Weniger Regeln, mehr Klarheit
Die Omnibus-Initiative markiert einen Wendepunkt: Weniger Pflicht, mehr Möglichkeiten. Es bringt Klarheit und deutliche bürokratische Erleichterungen mit sich, ohne die Grundprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung zu verwässern. Unternehmen – auch die, welche künftig aus der Berichtspflicht zu CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie herausfallen – sind gut beraten, die Veränderungen strategisch zu nutzen, um Nachhaltigkeit als echten Wettbewerbsvorteil zu etablieren.
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